Dein Lese-Letter zur Wochenmitte

Kalenderwoche 39/2025

präsentiert von

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:

NWZ-Chefredakteur Ulrich Schönborn reagiert auf meinen Kommentar über die Verlegerforderung, die Trennung zwischen Verlag und Redaktion aufzuheben (Editorial)

► Gemeinsame Sache in eigener Sache: Weshalb die Forderung vom BDZV Kongress nach hinten losgehen kann (direkt zum Kommentar)

► KI-Euphorie: Europäische Medienhäuser scheinen bei der Anwendung der neuen Technologie deutlich aufgeschlossener zu sein als US-Amerikaner, beobachtet Alexandra Borchardt (direkt zum Artikel)

► Die eigentliche Debatte wird nicht geführt: Was an der Causa Julia Ruhs am meisten nervt (am Ende des Newsletters)

Wer denn, wenn nicht wir?

Ich habe einen Kommentar darüber geschrieben, wovor man Zeitungsverlage nur warnen kann: ihren eigenen Redaktionen auferlegen zu wollen, dass – und vor allem wie – sie über die Gemengelage rund um Plattformen und die großen Techunternehmen berichten müssen.

Mein Text stand unter dem Eindruck des vorangegangenen BDZV Kongresses, bei dem Verleger und Manager genau dies angekündigt haben – mehr Berichterstattung nicht nur über, sondern für die eigene Sache. Weil mein Beitrag einer „für Debatte und gegen ein Diktat“ sein sollte, will ich auch die Reaktionen darauf transparent machen – zumindest jener, die öffentlich wurde.

Sie kam von Ulrich Schönborn, dem Chefredakteur der Nordwest Mediengruppe, deren Geschäftsführerin Stephanie von Unruh sich den Verlegerforderungen angeschlossen hatte. Veröffentlicht hat er sie bei Linkedin. Hinter der Plattform steht bekanntermaßen der US-Tech-Konzern Microsoft, den Verlage weniger schlimm finden als Google, der ihnen aber auch nicht hilft. Auch deshalb veröffentliche ich meine Reaktion auf Schönborns Text lieber an dieser Stelle.

Schönborns Beitrag war ein Plädoyer, mehr über die eigene Sache zu berichten, aus diesen Gründen:

Redaktionen und ihre Journalisten hätten in der „Selbstgewissheit der alten Massenmedien als Gatekeeper und Leitartikel-Schreiber versäumt“, mehr über ihre Arbeit zu berichten. Heute stünden Schönborn und seinen Kollegen Menschen gegenüber, die glaubten, „wir bekämen die Schlagzeilen wahlweise aus dem Kanzleramt oder dem Rathaus diktiert und hingen am Gängelband unserer Anzeigenkunden“.

Über Plattformen wie Google und die „Kaperung der digitalen Öffentlichkeit durch Monopolisten“ zu berichten, sei Teil von „Qualitätsjournalismus“. Dabei gehe es natürlich um das eigene Geschäftsmodell und Interessen von Medienhäusern, „aber vor allem auch um Grundwerte der Demokratie“.

Eine kritische Distanz zu den eigenen Interessen zu wahren, sei eine „Grundtugend“ im Journalismus. Nur dürfe dies nicht dazu führen, gar nicht über Medienpolitik zu berichten, schreibt Schönborn und fragt: „Wer berichtet denn über uns, wenn nicht wir?“

Schönborn kommt zu dieser Erkenntnis, ohne sich vom Appell einiger Verleger eingeschränkt zu fühlen, wie er schreibt. Weder in seinem persönlichen Gefühl noch in den oben genannten Punkten kann ich ihm widersprechen – auch weil sie gar nicht im Widerspruch zu meinem Kommentar stehen. Ich spreche an dieser Stelle auch niemandem pauschal die Fähigkeit ab, differenziert über die Digitalisierung und die damit verbundene Transformation der Branche zu berichten. Auch Zeitungsredakteure wissen, dass Journalismus in seiner Vielfalt viel mehr ist als bedrucktes Papier und der dahinter stehende Verlag. Sie wissen auch, dass die Digitalisierung und Plattformen wie Google, Facebook oder andere soziale Netzwerke auch neue Möglichkeiten geschaffen haben – auch wenn ich im Autorenprofil von Schönborn, der die Berichterstattung offenbar zur Chefsache gemacht hat, nichts Entsprechendes finden konnte.

Nur frage ich mich: Welchen Sinn haben die Forderungen der Verleger, wenn sie offenbar gar nicht notwendig sind? Wozu ihre Forderungen, wenn sie gar nicht notwendig scheinen?

Wo ich widersprechen kann: Schönborn hält meinen Kommentar für „Alarmismus“, also für übertrieben. Es gibt aus meiner Sicht gute Gründe, alarmiert zu sein. Denn unabhängig von der Frage, was die Verleger fordern, ist schon der Vorstoß, die Trennung von Redaktion und Verlag in einer publizistischen Sache aufzuheben, ein außergewöhnlicher Vorgang – der hier auch nicht (nur) aus der Überzeugung, sondern aus der Not erfolgt. Schon allein der Eindruck, dass solche Grenzen aufgehoben werden, ist kontraproduktiv und steigert die Skepsis jener Leute, die sich fragen, wie Schlagzeilen tatsächlich zustande kommen.

Gerade wir Medienjournalisten haben die Aufgabe, hier aufmerksam und kritisch hinzuschauen – denn, um es angelehnt an Schönborns Worten zu sagen: wer soll dies noch tun, wenn nicht wir?

US-Journalist und Professor Jeff Jarvis, Bonn Institute-Gründerin Ellen Heinrichs und CORRECTIV-Chefredakteurin Sophie Timmermann – diese und weitere starke Stimmen sprechen im Conference-Track „Journalismus“ der MEDIENTAGE MÜNCHEN!

Smartphones machen Videoproduktion einfach – wenn man weiß, wie es geht. In diesem zweieinhalbstündigen Seminar zeigt dir Martin Heller (ehemals Spiegel und Welt), wie du professionelle Clips drehst, schneidest und veröffentlichst. Ohne Wackler, ohne schlechten Ton – dafür mit klarer Botschaft. Ob im Journalismus oder in der professionellen Kommunikation: Die Qualität muss stimmen.

Was dich erwartet:

► Handwerkliche Tipps und Übungen: So kannst du Inhalte einfach in Bewegtbild transportieren

► Interviews oder Statements: Wie du Kamera, Reporter und Protagonisten richtig positionierst und Blickrichtung, Mikrofone und Licht richtig aussteuerst

► Gestaltungsideen: Welche Einstellungsgrößen du wann wählen solltest und wie du Vorteile des kleinen Mobilgeräts nutzt – das Wichtigste zum Bildaufbau.

► Videoschnitt: Grundfunktionen der Gratis-Apps für Schnitt, Post-Produktion in Bild und Ton. Inklusive kurzer Übung.

► Ausblick: Was können kostenpflichtige Apps im Bereich Kamera und Schnitt zusätzlich? Für wen lohnt sich ein Aufbaukurs? Und: Wir besprechen die Herausforderungen und Fragen der Teilnehmer.

Keine Vorerfahrung nötig – halte einfach dein aufgeladenes Smartphone bereit.

Mobile Reporting – Filmen und Schneiden mit dem Smartphone
Mittwoch, 1. Oktober 2025 von 10:30 - 13:00 Uhr

Seriöse Nutzung von KI in Redaktionen: Von der Recherche bis zur Textgenerierung und Auswertung
Seminar mit Marcus Schwarze
Donnerstag, 2. Oktober 2025 von 10:00 - 12:00 Uhr

KI-Insider: Das Tool-Update für Medien und Content
Seminar mit Patrick Egger
Dienstag, 7. Oktober 2025 von 12:00 - 13:30 Uhr

Digital-Abos – mit diesen einfachen Hebeln optimierst du deine Bestellungen
Seminar mit Sascha Bossen
Freitag, 17. Oktober 2025 von 10:00 - 12:00 Uhr

Alle Veranstaltungen findest du auf medieninsider.com/events

► 13 Verbände und NGOs machen, was seit Langem von ihnen gefordert wird: Sie schließen sich zusammen und reichen bei der Bundesnetzagentur gemeinsam Beschwerde gegen die AI Overviews von Google ein (mehr erfahren)

► „Der Kreislauf von Geben und Nehmen droht zusammenzubrechen.“ Das Handelsblatt beschreibt, wie stark AI Overviews und Large Language Modelle (LLMs) das Geschäftsmodell von Digitalpublishern beeinflussen (mehr erfahren)

► Mehr Bot- als Menschentraffic: Stefan Betzold, Chief Product Marketing Officer bei Bauer, teilt eine Erhebung seines Tech-Dienstleisters Tollbot, die zeigt, dass hinter Traffic via LLMs fast durchgängig mehr KI-Agenten stecken als Menschen (mehr erfahren)

► Für Publisher heikle Tests: Niklas Buscher, Gründer der Online-Marketing-Agentur Radyant, hat beobachtet, dass ChatGPT am 11. September nahezu alle Quellenverweise entfernt hat (mehr erfahren)

► Die Spiegel-Gruppe spaltet ihre Tochtergesellschaft Spiegel TV auf. Das Geschäft mit externen Auftragsproduktionen wird in Spiegel TV Studios ausgegründet. Die Redaktion des Spiegel TV Magazins soll als eigene Gesellschaft enger an den Spiegel und dessen Video-Aktivitäten heranrücken – dafür soll sie nach Medieninsider-Infos auch zurück ins Spiegel-Hauptquartier ziehen (mehr erfahren)

►„Das Internet wird sich langfristig nicht durchsetzen können“: Der Postillon, 2008 als Online-Portal gegründet, geht ab Ende Oktober in Druck – kein Scherz (mehr erfahren)

► Expansions- und Ausstiegspläne: Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung, erklärt dem Manager Magazin, in Ostdeutschland mehrere Regionalausgaben starten zu wollen – und spielt gleichermaßen mit dem Gedanken, sich aus dem Mediengeschäft zurückzuziehen (mehr erfahren)

Die Welt zeichnet nach, wie die NDR-Belegschaft gegen die Moderatorin Julia Ruhs gearbeitet haben soll und benennt dabei Journalisten wie Anja Reschke oder Daniel Bröckerhoff als treibende Kräfte (mehr erfahren)

► Der österreichische Standard sieht sich laut Pressemitteilung auf „klarem Kurs für die Zukunft“ und erklärt unter dieser Überschrift einen Stellenabbau (mehr erfahren)

Jimmy Kimmel kehrt nach sechs Tagen Suspendierung mit seiner Live-Show zurück. ABC-Mutter Disney begründet das mit massiven Protesten gegen seine Absetzung und finanziellen Einbußen durch Abo-Kündigungen (mehr erfahren)

► US-Präsident Trump nennt drei Geschäftsleute als mögliche Investoren für einen TikTok-Deal, darunter Lachlan Murdoch, Vorsitzender von News Corp (mehr erfahren)

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Was an der Causa Ruhs am meisten nervt

Keine Frage: Der Norddeutsche Rundfunk hat einmal mehr gezeigt, wie schwierig ausgerechnet Medienhäusern Kommunikation gelingt. Wäre die Causa rund um Julia Ruhs genauso eskaliert, hätte man gleich Tanit Koch als Nachfolgerin präsentieren können? Wohl kaum. Es hätte die Angriffsfläche, die Ruhs vollflächig genutzt hat, immens verkleinert. Mehr noch: Dass die vergleichsweise unbekannte Ruhs neben einer erfahrenen wie angesehenen Journalistin moderieren soll, wäre eine Aufwertung ihrer Person gewesen – Level-up statt Cancel Culture.

Stattdessen überließ der NDR Ruhs mehr als 48 Stunden lang die Bühne für ihre Erzählung, sie sei dem Sender als konservativ einzuordnende Journalistin nicht genehm. Der Schaden ist immens. Auch jene, die Ruhs verhindern wollten, haben somit verloren.

Was an der Debatte rund um Ruhs jedoch am meisten nervt, ist, dass die eigentliche Debatte gar nicht geführt wird. Es sollte eigentlich gar nicht um die Frage gehen, ob in „den“ Medien zu viele linke oder rechte (oder wie auch immer politisch geartete) Journalisten vorkommen. Eine vermeintlich zu linksorientierte Berichterstattung wird nicht dadurch ausgeglichen, dass ihr ein paar Meinungsmacher von rechts entgegensetzt werden. Es löst ein gewisses Unbehagen aus, wenn sich ein Journalist darüber definiert, besonders links oder besonders konservativ zu sein. Das Geschäftsmodell von Jan Fleischhauer, der Konservative unter (vermeintlich nur) Linken zu sein, hat nur deshalb funktioniert, weil es die Ausnahme war.

Jedes Medium, jeder Sender, jedes Format und am Ende jeder Journalist sollte für sich selbst den Anspruch haben, eine gewisse Ausgewogenheit und Neutralität zu wahren. Wer diesen fallen lässt und sich nur noch über Meinung und angebliche Haltung definieren will, hat womöglich den Beruf verfehlt. Und das gilt nicht nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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