Lese-Letter 9/2023

Axel Springer, BamS, WamS, TikTok-Charts, Brian Morrissey, Nikolaus Förster

Hallo !

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:► Vier Tatsachen, die Mathias Döpfner ausgesprochen hat – und vier, die er nicht ausgesprochen hat

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Mathias Döpfner hat sich am gestrigen Dienstag an die Belegschaft gewandt, um ein paar Tatsachen auszusprechen – und um ein paar unerwähnt zu lassen. Dafür gibt es diesen Newsletter.

Die erste ausgesprochene Tatsache: „Künstliche Intelligenz wird Journalismus und Mediengeschäft revolutionieren.“

Döpfner warnt davor, die Entwicklungen rund um ChatGPT und Co. zu ignorieren. Wer nicht aufpasst, werde womöglich sogar komplett ersetzt. Verlage müssten sich auf „Journalismus-Kreation“ konzentrieren. „Überleben wird nur, wer die besten originären Inhalte schafft.“

Die erste unausgesprochene Tatsache: Künstliche Intelligenz wird auch die Creator Economy revolutionieren.

Sie wird nicht nur das Schreiben von Texten oder das Layouten von Zeitungen übernehmen. Sie wird auch besser sein als mancher Datenjournalist. Wo menschliche Hilfe nötig ist, wird sie nicht nur aus Verlagen kommen. Neue Technologien sind für jedermann verfügbar oder zumindest erschwinglich. Verlage werden spüren, dass Technologien auch die Creator Economy befähigen werden.

Die zweite ausgesprochene Tatsache: „Um diesen Exzellenzanspruch zu leben (…), werden wir im journalistischen Kern (…) nicht reduzieren, sondern eher investieren und qualitative Verbesserungen vornehmen.“

Aus den derzeit 850 Journalisten bei Bild und Welt sollen es in den kommenden Jahren mehr werden. Teil von Döpfners „Exzellenzanspruch“: Er will die Besten der Besten für Axel Springer gewinnen.

Die zweite unausgesprochene Tatsache: Um in Exzellenz investieren zu können, müssen noch ganz andere Voraussetzungen erfüllt werden.

Verlage sind längst nicht mehr wettbewerbsfähig. Der War for Talents findet nicht mehr untereinander, sondern längst mit anderen Branchen statt. Die Attraktivität des Journalistenberufs sinkt – und auch die Springers. Man ist mehr damit beschäftigt, Talente zu halten als neue zu gewinnen. Die Liste der namhaften Abgänge ist länger als die der Neuzugänge. Warum? Antworten darauf finden sich in den Umfragen, über die Mitarbeiter bereits seit Monaten alarmierende Signale senden. Und sie finden sich in den Angeboten, die Springer unterbreitet. Vor allem bei Bild hat der ein oder andere seine Bedenken vergessen, weil das Geld stimmte. Man wird noch Mitarbeiter finden, nur nicht die Besten. Sicher hat das auch mit gewissen kulturellen Problemen zu tun. Und darüber hinaus:

Wenn mit der künstlichen Intelligenz das eintritt, was Döpfner voraussagt, wird es weniger Journalisten benötigen als bisher. Hunderte von (günstigen) Newsroom-Redakteuren im Schichtbetrieb werden verschwinden. Schwer vorstellbar, dass in gleichem Maße teurere Reporter und Korrespondenten aufgebaut werden. Die werden in der Masse vielleicht auch nicht mehr gebraucht.

Die dritte ausgesprochene Tatsache: „Wir werden sparen, um investieren zu können.“

Bild und Welt könnten nur erfolgreich bleiben, wenn man „frühzeitig die strategisch richtigen Weichen“ stelle, so Döpfner. Bild-Geschäftsführer Claudius Senst ergänzt: Man wolle das Gruppenergebnis in den nächsten drei Jahren um 100 Millionen Euro steigern, um als „gesundes Unternehmen“ dazustehen, um „in guten Jahren Sparsummen für vielleicht schwierige Jahre“ aufzubauen.

Die dritte unausgesprochene Tatsache: Man muss sparen, weil man woanders und falsch investiert hat.

Die Summen aus den letzten guten Jahren, in denen ordentlich verdient wurde, hat man offenbar nicht für Investitionen genutzt – oder nicht gut genug oder lieber in etwas anderes. Was in der Publizistik verdient wurde und der Verkauf der Regionalzeitungs- und Magazinportfolios (u.a. Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt) in die Kassen spülte, wurde auch in andere Bereiche investiert oder dient nun der US-Expansion des Konzerns (wofür es viele gute Gründe gibt). Welt und vor allem Cashcow Bild müssen auch nicht zum ersten Mal sparen. Vielmehr ist es die Fortsetzung der genügsamen Jahre. Das Sparprogramm Herkules ist gerade erst abgeschlossen. Damals musste mit 50 Millionen Euro pro Jahr zwar mehr gespart werden als jetzt. Damals standen den Anstrengungen aber auch 100 Millionen Euro Investitionssumme gegenüber. Auch jetzt wird noch von Investitionen gesprochen, nur wird keine Summe mehr genannt. Zudem: Bei Bild wurde das Geld zuletzt fehlinvestiert. Bild TV war so schnell weg, wie es gekommen ist.

Die vierte ausgesprochene Tatsache: „Umsatz und Gewinn ist nicht alles. Aber ohne Umsatz und Gewinn ist alles nichts.“

Damit betont Döpfner die wirtschaftliche Unabhängigkeit als Grundlage der publizistischen Freiheit. Man müsse nun „agieren, damit es uns weiter gut geht“. Und: „Hier bauen wir ab, dort bauen wir auf und ständig bauen wir um. Wie es sich für ein lebendiges Unternehmen gehört.“

Die vierte unausgesprochene Tatsache: Ohne Umsatz und Gewinn ist alles nichts – ohne Menschen, die ihn erwirtschaften aber auch nicht

Die Welt hat es endlich – wenn auch knapp – zur Profitabilität gebracht. Die rote Gruppe um Bild schrieb über Jahre verlässlich schwarze Zahlen. Dass und (in etwa wo) Stellen abgebaut werden, ist klar. Wo aufgebaut wird hingegen weniger. Ansagen sind bisher nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Das mag auch daran liegen, dass der Grund für die Umstrukturierung nicht der Wille zur schnellen Transformation ist, sondern der Profit. Erkennbar ist das an der Ausrichtung des Ziels: Es geht nicht darum, das Ergebnis zu halten, oder in drei Jahren auf 100 Millionen Euro operativen Gewinn zu kommen. Es geht um 100 Millionen Euro mehr Gewinn, es geht um Profitmaximierung. Das lässt mindestens den Schluss zu, dass Eigentümer oder Investoren (KKR) höhere Renditen erwarten. Wenn es um Maximierung geht, stellt sich die Frage: um welchen Preis? Sicher finden sich immer Einsparpotenziale, Arbeitsplätze, die durch Technologien ersetzt werden können. Viele Redaktionen ächzen aber bereits unter der Arbeitsbelastung. Es geht nicht nur um Stellen, sondern auch um Reise- und Recherche- und um Zeitbudgets.

Beim All Hands am Dienstagmittag mit CEO Döpfner und den beiden Markenchefs Claudius Senst und Carolin Hulshoff Pol kam eine konkrete Bitte aus der Belegschaft: Die Übergangszeit der Digitalisierung, die Zeit der Doppelbelastung und Orientierungslosigkeit so kurz wie möglich zu halten – radikal, aber mit „Realitätssinn“ zu handeln. Döpfner antwortete:

„Genau das haben wir vor. Helft uns dabei, dass das so kommt.“

Es klang, als sei der Laden mit Digitalisierungsverweigerern besetzt. Wenn dem so ist, liegen die Probleme noch einmal ganz woanders.

Der Axel-Springer-Konzern hat am Dienstagvormittag über Ergebnisse aus dem Strategieprojekt informiert. Der Konzern bekräftigt den Einstieg in den Ausstieg aus dem Printgeschäft. Die Umstrukturierungen werden auch das Personal treffen. Erstmals gibt es wirtschaftliche Kennzahlen, die Bild und Welt zukünftig erreichen müssen. Die Geschehnisse des gestrigen Tages in aller Ausführlichkeit:

Nach der ersten Ankündigung von CEO Mathias Döpfner zu den Ergebnissen des „Strategieprojekts“ haben die Welt- und Bild-Geschäftsführer Carolin Hulshoff Pol und Claudius Senst Details zum Rückzug aus dem Printgeschäft bekannt gegeben: Die rote und die blaue Gruppe planen, zukünftig keine Sonntagszeitungen mehr zuzustellen. Die Details:

Ein Abschwung ist immer auch ein Moment der Klärung. Schwierige Entscheidungen, die in Zeiten der Hochkonjunktur aufgeschoben wurden, können nicht länger ignoriert werden. Brian Morrissey meint: Die Blasenwirtschaft der Corona-Zeit, die vor allem in der Technologiebranche entstanden ist, wird jetzt korrigiert. Das wirkt sich auch auf die Verlagsbranche aus. Die Zeit des Growth Hackings ist vorbei.

Im TikTok-Trendradar weisen wir frühzeitig auf neue Trends hin. Zum Ende des Monats ziehen wir Bilanz: Welche Themen haben auf der Plattform wirklich stark performt? Außerdem in unserer Monatsanalyse: Das Ranking der erfolgreichsten Videos deutscher Publisher. Diesmal in den Top 10: Der Tagesspiegel, die Tagesschau, RTL Aktuell, Radio Fritz und die Mittelbayerische Zeitung. Womit sie erfolgreich waren und welche Reichweiten sie mit ihren TikToks erzielt haben. Die Details:

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Danke fürs Lesen, ! Wenn dir der Lese-Letter gefällt, leite ihn gerne an Kollegen, Bekannte oder Freunde weiter. Wir freuen uns auch, wenn du in sozialen Netzwerken auf unsere Artikel hinweist! Dank dafür geht in dieser Woche unter anderem an Martin Hoffmann und Nico Lumma.

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Viele Grüße sendet dir

Marvin

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