Lese-Letter 43/2023

FAZ-Frauen, Media Pioneer, Gabor Steingart, Mitarbeiter-Kommunikation, DuMont, Mirco Striewski

Hallo !

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:

► Die FAZ hat ein Frauenproblem – beziehungsweise eines ohne

Steingarts Start-up steht fünf Jahre nach Gründung am Scheideweg (direkt zum Artikel)

Claudia Michalski erklärt, weshalb es in der Medienbranche mehr wertschätzende Kommunikation benötigt (direkt zum Artikel)

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„Wir wünschen Helene Bubrowski alles Gute. Für gute Journalistinnen wie sie steht die Tür der FAZ immer offen.“

So zitiert Kress die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die in den kommenden Monaten ihre Parlamentskorrespondentin verlieren wird. Und man muss sagen: Wertschätzender kann eine Trennung kaum klingen.

Die Worte lassen erahnen, wie bedauerlich diese Personalie für die FAZ ist. Das ist sie nicht nur, weil Bubrowski als kompetente Stimme im politischen Journalismus geschätzt wird. Mit ihr geht auch eine prominente und strahlkräftige Vertreterin einer Minderheit bei der Zeitung: eine Frau. Eine Frau, der einige in der Branche das Potenzial einer Herausgeberin nachsagen.

Bubrowski ist nicht die einzige weibliche Führungskraft, die der FAZ-Redaktion den Rücken kehrt: Zum Januar wird Sibylle Anderl als Co-Chefin des Wissen-Ressorts der Zeit antreten. Bei der FAZ hat sie als Ressortleiterin zuletzt die Wissenschaftsberichterstattung verantwortet, zudem hat sie mit Co-Ressortleiter Joachim Müller-Jung der FAZ in ihrem Wissenschaftspodcast eine Stimme gegeben.

Die Gründe für die Abgänge mögen unterschiedlich sein oder nicht: Bei der FAZ lenken sie das Augenmerk auf ein bereits lang anhaltendes Problem – auf eine Männerdomäne, die sich durch alle Entscheider-Ebenen zieht.

► Im Gleichberechtigungsranking von ProQuote belegt die FAZ seit Jahren den letzten Platz. Zuletzt lag der Frauenmachtanteil der Redaktion bei 23,9 Prozent (Sommer 2022). Hierbei nimmt die Fraueninitiative Gewichtungen nach Hierarchie-Ebene vor. Je höher die Position, desto größer die Machtfülle.

Der Blick in die aktuellen Impressen zeigt keine Trendwende:

► Bei FAZ.net sind sieben von zehn Ressortleiter Männer, auf wichtigen Sonderpositionen wie dem redaktionell Gesamtverantwortlichen, dem Chef vom Dienst oder dem Chef für Newsletter-Verticals finden sich zu 100 Prozent Männer. Unter den Verantwortlichen für Art Direktion, Paywall, Social Media und Video: drei von fünf sind Männer.

► Auch unter den 14 verantwortlichen Redakteuren für die gedruckte Ausgabe (exkl. Stellverteter) sind zehn männlich. Unter den 22 für weitere Seiten und Ausgaben Verantwortlichen sind 13 von 22 Männer.

Liegen dürfte diese ungleiche Verteilung auch daran, dass Mann auch im publizistisch einflussreichsten Gremium gerne unter sich bleibt: im Herausgeberrat.

Den Herausgebern kommt bei der FAZ eine besondere Rolle zu, denn sie gelten als inhaltlich verantwortlich. Eine Chefredaktion gibt es nicht, dafür untersteht jedem Herausgeber ein bestimmter Teil der Zeitung. Zudem sind sie an der FAZ auch unternehmerisch beteiligt. In welche Richtung sich die FAZ also entwickelt, obliegt vor allem ihnen – und Diversität scheint sie nicht weiter zu beschäftigen.

► Der jüngste Wechsel im Herausgebergremium ist noch nicht lange her: 2020 verabschiedete sich Werner D’Inka in den Ruhestand, als Nachfolger wählten die verbliebenen Herausgeber Carsten Knop. Eine männliche, wenn auch nachvollziehbare Entscheidung. Knop war zuvor für FAZ.net verantwortlich und nach dem Tod von Frank Schirrmacher fehlte den Herausgebern jemand Digitales in ihren Kreisen. Trotzdem lässt das Gremium an seiner Aufgeschlossenheit zweifeln. Denn Gelegenheiten, die erste Frau in den Herausgeberrat zu holen, gab es zuvor schon einige:

► Nach dem überraschenden Rauswurf von Mitherausgeber Holger Steltzner im Jahr 2019 wurde die langjährige Wirtschaftsjournalistin Heike Göbel gehandelt. Befördert wurde schließlich Berthold Braunberger. D’Inka damals gegenüber dem Spiegel:

„So eine Berufung hat ja mehrere Komponenten, fachliche wie soziale. Auch die journalistische Autorität in der Redaktion spielt eine Rolle.“

Göbel blieb als verantwortliche Redakteurin für die Wirtschaftsberichterstattung – anders als eine weitere, hochqualifizierte Journalistin:

Felicitas von Lovenberg galt 2014 als Anwärterin auf einen Herausgeberposten. Die Journalistin war unter Schirrmacher zur Literaturchefin aufgestiegen, wurde nach seinem plötzlichen Tod als intellektuell gewachsene Nachfolgerin gesehen. Berufen wurde schließlich Jürgen Kaube – und Lovenberg ging. 2016 wechselte sie als Verlegerin zum Buchverlag Piper.

► Und auch vor Schirrmachers Tod verpassten die Herausgeber die Gelegenheit, eine Frau in die Führungsriege zu holen. Nach dem Ausscheiden von Günther Nonnenmacher (ebenfalls 2014) entschied man sich sogar, das Herausgebergremium zu verkleinern. Aus fünf Herausgebern wurden vier. Zwar sei die Entscheidung aus wirtschaftlichen Gründen getroffen worden, wie es damals geheißen hatte. Trotzdem erhärtete sich der Eindruck: Die FAZ streicht lieber Posten, als sie mit einer Frau zu besetzen.  

FAZit: Derzeit ist kein Herausgeberposten vakant. Vielleicht sollten sich die Herren aber einen Ruck geben, bevor noch mehr talentierte Frauen ihre Karriere lieber woanders fortsetzen. Daran sollte auch der – größtenteils männliche – Aufsichtsrat ein Interesse haben.

Während Media Pioneer seine Flotte erweitert, gehen zahlreiche Crewmitglieder von Bord. Die Abgänge vom Volontär bis zu den Chefredakteuren wirken wie Fahnenflucht – und dann kippt auch noch eine wesentliche Verabredung mit Gesellschafter Axel Springer. Fünf Jahre nach der Gründung steht Gabor Steingarts Start-up am Scheideweg. 

Um 10:30 Uhr starten die 37. MEDIENTAGE mit dem MEDIENTAGE-Gipfel unter dem Motto „Intelligence“. Freut euch auf drei spannende Tage u.a. mit Philipp Justus (Google), Pinar Atalay (RTL) und Schauspielerin Maria Furtwängler.

Das Thema Wertschätzung im Beruf ist alltäglich geworden. Möchte man meinen. Zwar begegnet Führungskräften dieses Thema in nahezu jedem Mitarbeitergespräch, trotzdem ist wertschätzende Kommunikation noch keine Selbstverständlichkeit. Es wird viel gesprochen, aber wenig verinnerlicht. Das gilt nicht nur, aber ganz besonders für Medienunternehmen, schreibt Claudia Michalski in ihrer neuen Kolumne. 

Medieninsider

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News

Deutschlandfunk und Hessenschau fallen auf ein Fake-Start-up rein, das bei der Frankfurter Buchmesse behauptete, mithilfe von KI personalisierte Bücher zu erschaffen (mehr erfahren)

► Der RBB verlangt von Ex-Intendantin Patricia Schlesinger rund 270.000 Euro zurück, die sie zuvor als variable Vergütungen erhalten hatte (mehr erfahren)

► Der Jurist Joachim Wieland kritisiert in einem vom RBB beauftragten Gutachten den neuen Staatsvertrag der ARD-Anstalt – die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme und die Haftungsbestimmungen für Führungskräfte seien möglicherweise verfassungswidrig (mehr erfahren)

► Die FAZ schließt für einen Großteil ihrer Artikel den Kommentarbereich wegen vermehrt auftretenden Beleidigungen, Diffamierungen und Verschwörungsnarrativen (mehr erfahren)

► Die Verbraucherzentralen warnen, dass einige deutsche Publisher gegen das Gesetz verstoßen, indem sie kein monatliches Kündigungsrecht nach Ende der Mindestvertragslaufzeit einräumen (mehr erfahren)

► 16 Verlage wollen beim Landgericht Stuttgart Klage gegen die SWR-App Newszone einreichen, nachdem das Schlichtungsverfahren um die derzeit stillgelegte App gescheitert war (mehr erfahren)

Bild am Sonntag verliert im dritten Quartal laut IVW im Vergleich zum Vorjahr 34,2 Prozent der verkauften Auflage und steht damit nun bei 369.238 Exemplaren – es ist die erste Auflagenmessung nach der Einstellung der Sonntagszustellung (mehr erfahren)

► Die Macher von Das Feuilleton haben bei einer Crowdfunding-Kampagne 77.500 Euro eingesammelt und wollen ihre Monatszeitung im Dezember starten – das Team besteht aus Redakteuren der Wiener Zeitung, die im Juni ihre Print-Ausgabe abgeschafft hatte (mehr erfahren)

► Ein iranisches Gericht hat die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi zu sieben bzw. sechs Jahres Gefängnis verurteilt, weil sie über den Tod von Jina Mahsa Amini berichtet hatten, die gegen die Sittenregeln in dem Land protestiert hatte – das Regime begründet das Urteil mit Verstößen gegen die nationale Sicherheit (mehr erfahren)

► Die Europäische Union hat Meta und TikTok formal aufgefordert, Informationen über die Verbreitung von Falschinformationen im Nahost-Konflikt bereitzustellen (mehr erfahren)

► Laut Heise Online soll 100 deutschen Meta-Mitarbeitern ein Abfindungspaket angeboten werden – im März hatte das Unternehmen angekündigt, weltweit 10.000 Stellen abzubauen. 2022 hatte es schon einmal eine Entlassungswelle gegeben (mehr erfahren)

Elon Musk hat angekündigt, dass auf X bald ein teureres Abo für Premium-Funktionen ohne Werbung und ein günstigeres mit Werbung geben soll (mehr erfahren)

► Nach dem Start von Whatsapp Channels haben viele Publisher einen Auftritt bei dem Messenger gestartet und posten regelmäßige Status-Updates, darunter Bild, die Tagesschau, NOZ und die Mopo (mehr erfahren)

Entdeckungen:

Sebastian Esser beschreibt in seinem Newsletter Blaupause, wie anhaltend hohe Churn-Rates Publishern das Abo-Geschäft schwer machen und gibt Tipps, wie die Durststrecke durch engen Leserkontakt möglicherweise überwunden werden kann (mehr erfahren)

► Laut The Intercept hat Springers News-Aggregator Upday seine Redakteure angewiesen, die Berichterstattung über den schwelenden Nahost-Konflikt pro-israelisch einzufärben (mehr erfahren)

Kyle Chayka kritisiert im New Yorker soziale Netzwerke, die ihre Verantwortung für die Verbreitung von Nachrichten abgegeben und so dafür gesorgt hätten, dass die Informationslage insbesondere in Kriegszeiten chaotisch sei, während der Anschein von Transparenz und Verlässlichkeit vermittelt werde (mehr erfahren) Eine ähnliche Analyse legt Mathew Ingram im Columbia Journalism Review vor (mehr erfahren)

Drew Harwell schreibt in der Washington Post, Elon Musk habe auf X dafür gesorgt, dass im Nahost-Konflikt Falschinformationen weite Verbreitung finden – die Entziehung des Verifikationsbadges der New York Times und damit das Entfernen eines verlässlichen Markers für zuverlässige Informationen unterstreiche diese Entwicklung (mehr erfahren)

Alex Mahadevan schreibt bei Poynter, dass KI und Deepfakes bei der Verbreitung von Falschinformationen im Nahost-Konflikt bislang kaum eine Rolle spielen, obwohl diese Gefahr in der Regel als hoch eingeschätzt wird (mehr erfahren)

Mari Cohen beschreibt in Jewish Currents, wie große US-Fernsehsender Interviews, Termine und Auftritte mit palästinensischen Experten und Analysten aus dem Sendeplan streichen (mehr erfahren)

► Die New York Times entschuldigt sich in einem Beitrag in eigener Sache für ihre Berichterstattung über den Raketeneinschlag in einer Klinik in Gaza, bei der sie zunächst der Darstellung der Terror-Miliz Hamas gefolgt war, laut der Israel für den vermeintlichen Angriff verantwortlich gewesen sei (mehr erfahren)

Der TikTok-Trendradar von Medieninsider informiert dich fortlaufend über die aktuellen Themen-Trends auf der Videoplattform:

► 23. Oktober 2023: „Me And The Devil” – TikTok-Videos über Angst und Sucht | International

► 9. Oktober 2023: Maximilian Janisch wird zum TikTok-Meme | Trendwelle

► 6. Oktober 2023: #Yearbook – AI-Fotos übernehmen erneut TikTok und Instagram | Trendwelle

► 3. Oktober 2023: So funktioniert das Marshmallow-Game | International

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Danke fürs Lesen, ! Wenn dir der Lese-Letter gefällt, leite ihn gerne an Kollegen, Bekannte oder Freunde weiter. Wir freuen uns auch, wenn du in sozialen Netzwerken auf unsere Artikel hinweist! In dieser Woche hat das unter anderem Daniel Drepper und Moritz Döbler getan.

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Viele Grüße sendet dir

Marvin

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