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Lese-Letter 4/2023
Jan Böhmermann, RTL+, Thomas Rabe, Paid-Content-IVW, Ulf Poschardt, Vassili Golod
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:► Was Jan Böhmermanns Tweets über sein Verständnis von privatwirtschaftlich organisierten Journalismus aussagen
► Heute Vormittag kommt Marc-Stefan Andres (Rums) zum digitalen Q&A, nächste Woche Ukraine-Korrespondent Vassili Golod (ARD)
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Vergangene Woche sind wir ins Kreuzfeuer der Community von Jan Böhmermann geraten. Auslöser war eine augenscheinlich kleine Auseinandersetzung wegen eines Artikels von Medieninsider. Böhmermann hatte ihn per Screenshot geteilt, die Nennung der Quelle oder eine Verlinkung aber weggelassen. Das wäre mindestens freundlich gewesen. Böhmermann legte mit dem Posting offen, was sonst nur zahlende Mitglieder lesen konnten.
Wir lieferten den Link nach und erklärten, dass wir uns über ein Abonnement freuen würden. Natürlich auch von Jan Böhmermann. Wir investieren bekanntermaßen viel Zeit in unsere Recherchen, die wir hauptsächlich über Mitgliedschaften finanzieren. Es ist ärgerlich, wenn die Arbeit mit wenigen Klicks ausgehebelt wird. Vor allem, wenn dies jemand mit 2,7 Millionen Followern macht.
Weil wir wenig Verständnis dafür haben, wiesen wir natürlich darauf hin, dass wir nicht öffentlich-rechtlich finanziert sind. Zugegeben: Vielleicht hätten wir in unserer Erklärung eher „gebühren-“ statt „GEZ-finanziert“ nutzen sollen. Die alte Marke des Rundfunkbeitragsservice ist für viele eine Provokation, offenbar hat sie auch Böhmermann getriggert. Die Entscheidung war offenbar auch deshalb nicht zieführend, weil sie vom eigentlichen Thema abgelenkt hat: Von der Frage, wie man (vor allem als Journalist oder Medienmacher) mit anderen journalistischen Inhalten umgeht.
Böhmermanns Reaktion war diesbezüglich jedenfalls ein Offenbarungseid. Abgesehen davon, dass er unsere Arbeit, die er immerhin für teilenswert gehalten hatte, als „Website und paar SPAM-Mails“ diskreditierte, empörte er sich über den Preis für eine Mitgliedschaft (17 Euro pro Monat). Sein Vergleich: Für die 18,36 Euro Rundfunkbeitrag im Monat erhalte man „DEUTLICH mehr und vielfältigeres beim ÖRR.“
Die Reaktion des stets moralisch aufgeladenen Jan Böhmermanns und der absurde Vergleich zeigen dabei vor allem eines: Dass ihm wirtschaftlicher Sachverstand fehlt – oder er zumindest ihn zumindest ausblendet. Böhmermann ist damit leider nicht allein.
Daher ein paar Anmerkungen:
► Böhmermann verglich das Angebot einerseits mit dem der öffentlich-rechtlichen Medien und setzt das in Relation zum Preis. Er geht dabei darüber hinweg, dass die Höhe des Rundfunkbeitrags umstritten ist. Die angesprochene Vielfalt ist möglicherweise ein Grund für das zunehmende Akzeptanzproblem. ARD und ZDF produzieren mehr, als man konsumieren kann. Und bei aller Vielfalt und Diversität: Wo findet sich eigentlich das kritische Medienmagazin für Deutschland im ZDF-Programm? Und was ist aus den medienjournalistischen Angeboten in der ARD geworden?
► Andererseits verglich Böhmermann den Preis für Medieninsider in einem weiteren Tweet mit dem für Bild Plus. Der Denkfehler hier: Medien wie Bild oder die New York Times leisten sich günstige Preise, weil sie ein Massenpublikum adressieren. Die meisten Inhalte von Medieninsider interessieren aber nur eine sehr spitze, fachspezifische Zielgruppe. Nur dort besteht eine Zahlbereitschaft für unser Produkt. Dafür, dass sie Inhalte bekommen, die es anderswo nicht gibt, zahlen sie höhere Preise. Nur so können wir unsere Kosten decken. Mit 17 Euro pro Monat bewegen wir uns übrigens im Segment der Publikumspreise. Andere B2B-Medien sind für den Einzelnen eigentlich kaum bezahlbar.
► Möglicherweise sollte Böhmermanns Bild-Vergleich auch diskreditierend auf die qualitative Ebene abzielen. Das wäre etwas, das wir nicht als Beleidigung verstehen. Das ZDF Magazin Royale nutzt übrigens selbst häufig genug boulevardeske Stilmittel. Sollte Böhmermann bei uns Inhalte suchen, die über den von ihm geteilten Artikel hinausgehen: einfach mal die „Spam“-Mails richtig lesen. In diesem Lese-Letter gibt es beispielsweise eine umfassende Recherche zur Entwicklung von RTL+ oder dem digitalen Abogeschäft anderer Publisher – die im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Digitalprodukten unter höchst wirtschaftlichem Druck entstehen.
► Wer glaubt, dass das Teilen eines Screenshots mal nicht so schlimm ist, denkt egozentrisch. Heute ist es der Böhmermann-Tweet, morgen das ausführliche „Zitat“ im Tagesspiegel, übermorgen ein paar andere Nutzer, die Artikel gleich mit all ihren Kollegen teilen. Wir haben nichts gegen Zitierungen, sofern man fair mit ihnen umgeht. Medieninsider ist aber keine Nachrichtenagentur oder eben nicht von der Allgemeinheit finanziert.
Das Verhalten Böhmermanns ist symptomatisch für eine Branche, in der viele noch immer zu wenig über Geschäftsmodelle nachdenken. Wie wollen wir von Nutzern erwarten, für Journalismus (angemessene Preise) zu bezahlen, wenn wir die journalistische Leistung selbst nicht anerkennen und sie untergraben? Wenn wir uns selbst nicht an (mindestens moralische) Regeln halten? Ich entnehme aus einzelnen Gesprächen mit Kollegen oder anderen Medienschaffenden, dass unsere Sensibilität nervt. In anderen Gesprächen wird mir wiederum klar, dass sich viele der toxischen Entwicklung in unserer Branche gar nicht bewusst sind. Das zeigt mir auch das Verhalten Böhmermanns, der zwar Vertreter der gebührenfinanzierten Medien ist, aber eben auch Unternehmer. An dieser Stelle vielen Dank an Stefan Niggemeier und Lars Wienand für die twitternde Unterstützung.
Ich möchte mich übrigens prophylaktisch von dem Eindruck distanzieren, dass ich gegen rundfunkbeitragsfinanzierte Medien sein könnte. Ich bin nicht der Meinung, dass private Medien alles von selbst abdecken würden. Ich befürworte einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, schon allein im Interesse der Meinungsvielfalt und Demokratie. Ich finanziere auch gerne das ZDF Magazin Royale.
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Bertelsmann-Chef Thomas Rabe hat bei RTL Deutschland die Führung übernommen, um Entwicklung und Erfolg des Zukunftsprojekts RTL+ sicherzustellen. Mit erratischen Aussagen zur Ausrichtung der Digitalstrategie und intern weiter anders lautenden Zielen stiftet er jedoch nicht nur maximale Verwirrung, sondern schürt Frustration. Ein Blick hinter die Kulissen.
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2022 war insgesamt ein gutes Jahr für Publisher mit digitalem Abogeschäft. Zum Ende setzte sich ein weniger erfreulicher Trend allerdings fort: Auch im Dezember wuchsen deutsche Publisher im Paid-Content-Geschäft nur beschwerlich. Am schlimmsten hat es die Rheinische Post erwischt. Sie hat nicht nur seit Juli 2022 Tempo verloren, sondern nun auch Abonnenten. Die Details in der monatlichen Auswertung von Medieninsider.
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Marvin
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