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Lese-Letter 36/2023
Zukunft der ARD, Kai Gniffke, Künstliche Intelligenz im Journalismus, Charlie Beckett, Brian Morrissey, The Pioneer
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Weshalb ARD-Chef Kai Gniffke mit der von ihm geübten Medienkritik bei sich selbst anfangen sollte
► Alexandra Borchardt diskutiert mit Charlie Beckett die Entwicklung von künstlicher Intelligenz im Journalismus (direkt zum Interview)
► Brian Morrissey beschreibt künstliche Intelligenz als weitreichende Disruption und hat sich Gedanken darüber gemacht, wie Medien dabei bestehen können (direkt zum Artikel)
► Simon Pycha hat sich wieder angesehen, wie sich Publisher bei TikTok schlagen und sich der Wettbewerb verändert (direkt zum Artikel)
► Bei The Pioneer geht ein weiterer Hauptstadtjournalist mit einem brisanten Wechsel von Bord – (direkt zum Artikel)
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Eines kann man Kai Gniffke nicht vorwerfen: Dass er kein Sendungsbewusstsein hat. Ich erinnere mich an keinen Medienmanager oder gar ARD-Vorsitzenden, der so viele Interviews gibt wie Gniffke. Dabei schreckt er auch nicht vor jenen zurück, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk facettenreich kritisieren. Derzeit ist er wieder auf Tournee durch Deutschlands Publikumsmedien. Gerade erst veröffentlichte die Welt am Sonntag ein doppelseitiges Interview mit ihm, auch der Spiegel räumte ihm großzügig Platz ein. Doch Gniffke reicht das nicht. Der ARD-Chef und SWR-Intendant scheint mit der Ausbeute seiner PR-Arbeit nicht zufrieden zu sein.
Der Grund: angeblich falsche Fragen. Für Gniffke ginge es in Interviews zu oft, sagt er, um lineare Ansichten anstatt um digitale Visionen. Zu viel um die Gegenwart, zu wenig zum die Zukunft. Zu wenig um die ganz großen Fragen also.
Der Blick in die Glaskugel ist unter Führungspersönlichkeiten ein beliebter Griff in die Trickkiste. Denn heute lässt sich wunderbar über die Herausforderungen von morgen philosophieren, ohne über Fehler oder Versäumnisse zu sprechen. Denn die kennt schließlich noch keiner.
Da Gniffke den Raum für zukunftsweisende Themen und visionäre Fragen in den etablierten Medien zu klein findet, ist es spannend, einen Blick dorthin zu werfen, wo er seine Gedanken endlos teilen kann. Beispielsweise auf sein LinkedIn-Profil, wo er sich gerade eben als Medienkritiker präsentierte.
Dort ist Gniffke seit Beginn des Jahres offiziell als „Klassensprecher der ARD“ aktiv und postet mehrmals die Woche ‘Content’ über seine Arbeit. Auszüge aus Gniffkes LinkedIn-Postings der vergangenen Wochen:
► Gniffke teilt mit seiner Community, dass er sich um die Medienkompetenz in der Gesellschaft sorge. Es sei gut, wenn die Disziplin auch in der Schule gelehrt würde, schreibt er. Allerdings sollten für eine „flächendeckende Lösung“ auch die Qualitätsmedien ihren Beitrag leisten. „Bloß: wie?“ Das fragt Gniffke zwar, trägt aber keinen eigenen Gedanken dazu bei. Die Antworten überlässt er der Community.
► In einem anderen Posting geht es um die Frage, weshalb die ARD Sportrechte kauft. Gniffke behauptet, nicht „jeden beliebig aufgerufenen Preis für sportliche Großveranstaltungen zu bezahlen“ und sagt: „Dafür bekommt das Publikum dann das ‘volle Bild’ von einer WM“ wie Berichte über Doping, Korruption oder Machtmissbrauch. „Eine Berichterstattung, die nur auf Kapitalerlöse aus ist, wird diese Themen nicht behandeln.“ Belege für diese bemerkenswerte Behauptung oder gar eine Erklärung, was hohe Investitionen in Übertragungsrechte mit der weiteren Berichterstattung zu tun haben, liefert er genauso wenig wie einen Ausblick.
► Mitte August bemüht sich Gniffke um eine Fußball-Analogie, um für „Fair Play“ in den Medien zu plädieren – nicht, ohne selbst zu rempeln. „Es gibt Medien, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus Prinzip immer mal wieder ans Schienbein treten“, schreibt er, um sich anschließend über ein paar freundliche Rezensionen für eine ARD-Serie zu freuen.
► Davor ging es um eine durchaus gesellschaftsrelevante Frage: „Wie können wir das Gute sozialer Medien bewahren – also den direkten Dialog, die verschiedenen Meinungen und Perspektiven – und das Schlechte vermeiden: Hass, Beleidigung, Aufwiegelung, den Missbrauch von Aufmerksamkeit für eigene Zwecke?“ Gniffke plädiert, wie schon so viele, für ein „öffentlich-rechtliches Medienangebot“, das „auch ein Ort für Dialog“ sein soll. Was das heißt? Das verrät auch Gniffke nicht. Dafür lädt er seine Community wieder ein, Vorschläge zu posten.
► Auch beim ARD-Vorsitzenden gibt es das Sommerloch. Anfang August teilt er mit seiner Community lieber Ideen für witzige Abwesenheitsnotizen anstatt Ideen für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Zukunft. Eine weitere Ausführung bedarf es an der Stelle nicht.
Etwa zwei Monate ist es her, dass Gniffke mal über #Zukunft schrieb. Es ging tatsächlich um Reformen, Synergien einiger SWR-Radiowellen und im TV. Gniffke schreibt, dass „Veränderungen theoretisch gewollt sind, aber in der Umsetzung auf Widerstände stoßen“. Immerhin.
Fazit: Kai Gniffke teilt viel, teilt dabei aber wenig mit. Der ARD-Chef bedient sich dabei jener Mittel, die er anderen vorwirft. Er zahlt mehr auf Medienfrustration ein als auf die Zukunft der Medien. Um wesentliche Zukunftsfragen geht es dabei nicht. Das muss so nicht bleiben.
Wir bei Medieninsider haben Gniffke bereits zu Beginn des Jahres auf unsere Live-Bühne eingeladen. Wir boten, was er fordert: Dialog. Wir wurden vertröstet, doch unsere Einladung ist nicht erloschen. Wir haben noch mehr Fragen zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als wir ohnehin bereits durch unsere Berichterstattung aufgeworfen haben. Doch auch Gniffke muss klar sein: Es lässt sich nicht in die Zukunft blicken, ohne die Gegenwart zu betrachten.
Übrigens: Eines der Themen, über die Gniffke gerne philosophieren würde: die Rolle von künstlicher Intelligenz im Journalismus. In diesem Lese-Letter liefern wir passende Inspiration gleich mit. Alexandra Borchardt hat für uns ein ausführliches Gespräch mit Charlie Beckett geführt. Er ist Journalismusprofessor an der London School of Economics und Leiter des JournalismAI Project und kennt die großen Fragen. Und auch Brian Morrissey hat sich mit KI und der Frage nach dem bekannten Unbekannten befasst. Besonders spannend finde ich, wie beide die Rolle des bislang mächtigen Techkonzerns Google beleuchten. „Google ist vielleicht nicht mehr diese Großmacht, für die wir sie gehalten haben“, sagt Beckett. Und gerade deshalb, sagt Morrissey, könnte der Konzern zum wichtigsten Verbündeten für Verlage werden.
Jeder in der Branche spricht über Künstliche Intelligenz und noch niemand weiß, wohin sie den Journalismus letzten Endes bringen wird. Das gilt auch für Charlie Beckett, wie er im Interview mit Medieninsider verrät. Und trotzdem ist der Leiter des internationalen JournalismAI Project und Journalismusprofessor an der London School of Economics der richtige Ansprechpartner, um über die Stimmung der internationalen Medienbranche gegenüber künstlicher Intelligenz, ihren Aufstieg und die Bedeutung zu sprechen. Alexandra Borchardt hat es getan.
Ein Interview darüber, … :
► … wie die KI die Branche verändern könnte wie zuletzt das Internet.
► … was von redaktionellen Regelwerken im Umgang mit KI zu halten ist.
► … wie KI bisherige Machtverteilung der Tech-Konzerne aufwirbelt.
► … was KI im Umgang mit Urheberrechten bedeutet und welche Fragen nun gestellt werden müssen.
Ein Blick ins Programm der ersten MVFP Future Media Now am 16./17. Oktober: Neben Keynotes von Christoph Keese & Journalistin Eva Wolfangel erwarten Sie Einblicke in die Innovations- und Changeprozesse u.a. beim Bauverlag, OTTO DOCK 6 sowie 720 Health.
Es gibt noch viel Unbekanntes darüber, wie sich KI entwickeln wird und welche Auswirkungen sie auf alle Branchen und die Gesellschaft haben wird. Da sich die Technologie bereits so schnell verändert und das Silicon Valley sich voll und ganz darauf konzentriert, dass KI das wirklich neue, neue Ding ist, hat man das vertraute Gefühl, dass ein weiterer Zyklus der Disruption und Zerstörung bevorsteht. Brian Morrissey hat sich Gedanken darüber gemacht, was das für Medien bedeutet.
Das Publisher-Ranking für August zeigt, mit welchen Themen digitalen Journalismusmarken auf TikTok erfolgreich sind und was mit ihnen auf der Plattform passiert. Auffällig: Die Charts werden von den öffentlich-rechtlichen Sendern dominiert. Nur zwei private Medienangebote schafften es in die Top 10. Und: Nachdem der TikTok-Kanal von Nius wieder freigeschaltet wurde, ist nun ein weiterer Account des Netzwerks blockiert. Die Details in der Analyse.
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Marvin
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