- Medieninsider
- Posts
- Lese-Letter 26/2023
Lese-Letter 26/2023
Stern, RTL, Bild-Regios, Klima-Kleber, Vertrauen in die Medien
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Gregor Peter Schmitz’ Stern-Mission ist in vollem Gange – genauso wie die neue Medienkonzentration unter dem Dach von RTL
► Der neue Verteilungsplan für die Regio-Büros von Bild legt nahe, dass auch in der Redaktion Stellen gestrichen werden – wo Fragen aufkommen und sich Widerstand regt, der sogar das Freiwilligenprogramm blockiert (direkt zum Artikel)
► Medien werden oft dafür kritisiert, dass der Klimawandel zu wenig Beobachtung erhält – unser Agenda-Setting-Monitor von Stefan Paulus zeigt auf, wie Aktivisten das Thema am Laufen halten (direkt zum Artikel)
► Der Digital News Report von Reuters attestiert mal wieder geringes Medienvertrauen – Alexandra Borchardt erklärt, weshalb der Journalismus damit eines seiner Ziele erreicht hat (direkt zum Artikel)
► Heute kommt Anne-Kathrin Gerstlauer zum Q&A und erklärt, wie sie ein Geschäftsmodell für ihren Newsletter Texthacks gebaut hat (jetzt anmelden)
Bestelle neben diesem Lese-Letter auch unseren neuen ☑ Job- und Karriere-Letter oder den☑ TikTok-Radar. Setze in deinem Profil einfach den Haken hinter den gewünschten Ausgaben:
Dem Stern ist nach den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie in dieser Woche ein Erfolg gelungen. Mit der Entscheidung, das Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel auf die Titelseite zu heben, sorgt das Magazin seit gestern für Gesprächsstoff. Das ist auch ein Gewinn, weil Chefredakteur Gregor Peter Schmitz behaupten kann: Man spricht wieder über den Stern. Das war lange Zeit anders.
Schmitz’ Stern-Mission ist in vollem Gange, was sich auch darin bemerkbar macht, dass dem Chefredakteur Personal-Coups gelingen. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche, bemerkenswerte Wechsel zum Stern bekannt. Einige davon:
► Spiegel-Korrespondent Veit Medick ist als Ressortleiter zum Politik-Team gestoßen und bildet dort eine Spitze mit Nico Fried.
► Bei T-Online warb Schmitz gleich mehrere in ihren Disziplinen geschätzte Köpfe ab. So wechselt unter anderem Chefreporterin Miriam Hollstein ebenfalls in die Politik-Redaktion des Stern, Sven Böll übernimmt strategische Aufgaben.
► Im Bereich Audience Development und Social Media gibt es gleich eine Generalüberholung. Der Stern holt Expertise aus unterschiedlichen Ecken der Branche.
Schmitz hat derzeit viele gute Gründe, seine Mission nach außen zu tragen. Denn die Personalien zeigen auch: Es gibt Journalisten, die an eine Wiederbelebung des Stern glauben. Dabei scheint auch die Erzählung zu verfangen, durch Synergien unter dem RTL-Dach neue Potenziale zu schöpfen. Oder anders: Die Verbindung zu RTL scheint zumindest nicht abzuschrecken – trotz einiger Stern-Cover mit RTL- oder Bertelsmann-Protagonisten in den vergangenen Monaten.
Dass die Zukunft des Stern von der Verzahnung mit RTL abhängig ist, wird auch mit Skepsis betrachtet – sowohl intern als auch extern, wie das jüngste Interview mit Schmitz in der Süddeutschen Zeitung zeigt. Darin wurde dem Chefredakteur ausführlich auf den Zahn gefühlt. Wie viel RTL(-Einfluss) steckt im Stern? Schmitz:
„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass Leute uns vorhalten, wir machen einfach Cross-Promotion für RTL.“
Und:
„Mir hat noch nie jemand gesagt: Mach im Stern mal was zu RTL.“
Der Grund für diese Aussage liegt möglicherweise darin, dass eine solche Ansage noch gar nicht notwendig war. Möglicherweise eilt der Gehorsam voraus. Damit sind nicht die großen Interviews auf dem Stern-Cover gemeint, sondern die eher unscheinbaren Formate, deren Wirkung nicht zu unterschätzen ist.
Im Zuge der Fusion war klar, dass Stern und andere RTL-Medien (RTL News, NTV) auch Inhalte tauschen und teilen würden. Beispielsweise einen klugen Kommentar zur geopolitischen Lage, Ergebnisse aufsehenerregender (gemeinsamer) Recherchen, News-Stücke aus Politik und Wirtschaft. Es wäre gelogen, zu behaupten, so etwas finde nicht statt. Das Weidel-Interview des Stern wird auch prominent über die RTL-Kanäle promotet. Allerdings sieht die Medienkonzentration beim Stern auch so aus:
► Casting-Aufrufe für RTL-Shows wie Der Restauranttester mit Tim Raue (siehe hier)
► Programmhinweise wie jene auf die Basketball-Übertragungen bei RTL (siehe hier)
► News zu neuen RTL-Shows wie der mit Harpe Kerkeling (siehe hier)
► Ausführliche Beiträge zu den von RTL erworbenen Übertragungsrechten der NFL (siehe hier) und in Folge die News zur Moderatorenbesetzung (siehe hier)
Nun sind Programmhinweise nicht unüblich und auch Verweise auf RTL als einen der größten deutschen Privatsender kein Vergehen. Immerhin hat man bei Stern.de auch ein Faible für Bares für Rares, das von keiner RTL-Tochter produziert und beim Konkurrenzsender ZDF ausgestrahlt wird. Auch andere Reichweitenportale wie T-Online wollen vom Interesse an TV-Shows profitieren. Eher ins Grübeln kommt man bei jedoch bei solchen Aktionen:
► Zum Start des Musikangebots von RTL+ veröffentlichte Stern eine ausführliche Meldung inklusive der Preisstaffelungen (siehe hier). Im November folgte eine News zur App-Erweiterung durch Podcasts (siehe hier)
► Das Streamingangebot hatte bis vor Kurzem auch seinen festen Platz im Heft. Unter der Marke Stern-Charts erschien in den vergangenen Monaten immer wieder ein Podcast-Ranking, das nicht unabhängig erhoben, sondern „im Auftrag“ von RTL+ Musik erstellt wurde – auffällig oft schafften es RTL-Formate ins Ranking. Mittlerweile wurde die Kategorie durch „redaktionell unabhängig ausgewählte Empfehlungen nach Leser-Interessen“ ersetzt.
Auffällig: Ein Transparenzhinweis ist keine Selbstverständlichkeit. Immer wieder sucht man eine Info zur Verwandtschaft von Stern und RTL vergebens. Angesichts des in der Süddeutschen transportierten Verdachts, wäre er aber ratsam – während folgender Fall eine klare Grenzüberschreitung darstellen dürfte:
► Im November erschien ein Artikel über „Spenden und außergewöhnliche Aktionen“ der UFA im Ahrtal. Während am Ende des Artikels darauf hingewiesen wurde, das sowohl die UFA als auch RTL und Stern zum Bertelsmann-Konzern gehören, wurde eine Sache verschwiegen: Die Autorin des Beitrags ist die UFA-Pressesprecherin.
Darauf angesprochen erklärt eine Sprecherin folgendes:
„Pressesprecher verfassen bei uns normalerweise keine redaktionellen Texte für unsere Angebote. In diesem Fall handelt es sich um die Dokumentation einer Charity-Aktion der UFA.“
Zu mangelnden Transparenzhinweisen heißt es lediglich, dass ein Content-Tausch „im Regelfall“ gekennzeichnet sei. Zudem seien die Verflechtungen von RTL und Stern „angesichts der umfangreichen Berichterstattungen rund um die Zusammenlegung in den vergangenen Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt“. Man wolle aber noch einmal dafür sensibilisieren.
Und zu den Regeln, wann welcher Content getauscht wird, erklärt eine Sprecherin:
„Die Redaktionen haben die alleinige Entscheidungshoheit, welche Themen sie auswählen. Da die Artikel zu RTL-Formaten oft überdurchschnittlich gut laufen, wie bei vielen anderen Medien auch, ist es naheliegend, dass der Stern ebenfalls darüber berichtet.“
Der Axel-Springer-Konzern hat seit Beginn seiner Sparmaßnahmen in Deutschland beteuert, keine journalistischen Stellen abzubauen. Bei der Neuaufstellung von Bild wird an diesem Versprechen gerüttelt. Eine interne Unternehmenspräsentation legt nahe: Zukünftig könnten weniger Journalisten aus den Regionen berichten als bisher. Die Pläne stoßen auf Widerstand – und der wiederum blockiert das schon länger angedachte Frewilligenprogramm.
HSJP Fellowship
Mit dem Hamburger Medien-Startup Flip und einem Stipendium der ING Deutschland die eigene kritisch-konstruktive Rechercheidee umsetzen.
Klimachaoten, Klimakleber, Klimaaktivisten – es haben sich viele unterschiedliche Begriffe für die „Letzte Generation“ etabliert. Von der Formulierung abgesehen prägte die Gruppe in den vergangenen Monaten die Klima-Berichterstattung vieler deutscher Medien, wie der Agenda-Setting-Monitor von Medieninsider und azernis zeigt. Die Analyse zeichnet auch nach, welche weiteren Anlässe zur Berichterstattung geführt haben und welche Medien welche Begriffe geprägt haben.
Werde jetzt Teil des kostenlosen MEDIA INNOVATION PROGRAM!
Du willst ein innovatives Medienprojekt verwirklichen? Du möchtest KI oder immersive Technologien dabei mitdenken und einen Prototypen bauen oder ein bestehendes Produkt weiterentwickeln? Dann bewirb Dich allein oder zu zweit bis zum 15. August 2023.
Der Digital News Report des Reuters Institute an der Universität Oxford liefert jährlich auch Werte zum Bezahlverhalten der Internetnutzer. Die Ergebnisse sind für deutsche Medienschaffende ernüchternd. Im Jahr 2022 soll die Zahlungsmoral sogar wieder gesunken sein. Kann das sein? Angesichts anderer Parameter erscheinen die Zahlen aus dem News-Report wenig plausibel – und nicht nur an dieser Stelle. Wo die Studie mit Vorsicht zu genießen ist und was die Autoren dazu sagen.
► Isabella Wohlwend wird Abo-Chefin beim Spiegel, Vorgängerin Sabine Eriksen wechselt zum Handelsblatt
Ressourcenmangel
Berlin oder remote
The Pioneer
Berlin
Stiftung Warentest
Berlin
MovactBerlin oder remote
MovactBerlin
Medieninsider
Berlin oder remote
Möchtest du auch deine Stellen in unserem Transformationsmarkt platzieren? Dann stelle sie hier online ein oder schreib eine E-Mail an [email protected].
News
► Welt führt ein Plug-in für ChatGPT ein, über das Überschriften und Teaser-Texte direkt im Chatbot aufgerufen werden können (mehr erfahren)
► Der Radiosender BigFM startet einen Radiosender, der vollständig aus künstlicher Intelligenz entsteht (mehr erfahren)
► Die ARD will ab 2024 Kompetenzzentren für Klima, Verbraucher und Gesundheit enger aufziehen, zusätzlich 250 Millionen Euro sollen in digitale Angebote investiert werden (mehr erfahren)
► Laut der Süddeutschen Zeitung hat das bayerische Landeskriminalamt bei der Telefonüberwachung der Letzten Generation auch Gespräche mit Journalisten abgehört (mehr erfahren)
► Die Deutsche Welle rudert nach der Ankündigung von 200 Stellenstreichungen zurück, bis Ende des Jahres sollen nun 50 Mitarbeiter gehen (mehr erfahren)
► Meta droht, kanadische Medien auf Facebook und Instagram auszusperren – Hintergrund ist ein geplantes Gesetz, mit dem sichergestellt werden soll, dass Publisher für Ihre Inhalte bezahlt werden (mehr erfahren)
► Die Fortress Investment Group möchte mit anderen Bietern Vice Media für rund 225 Millionen US-Dollar übernehmen, zuvor hatte bereits die Holding-Gesellschaft GoDigital ein Angebot gemacht (mehr erfahren)
► Der Substack-Konkurrent Beehiiv hat in einer Finanzierungsrunde 12,5 Millionen US-Dollar eingesammelt, Geldgeber sind unter anderem Lightspeed Venture Partners, Social Leverage, Creator Ventures, Blue Wire Capital und Contrarian Thinking Capital (mehr erfahren)
► Reddit-Moderatoren fordern in einem offenen Brief Rendite-Möglichkeiten für Drittanbieter-Apps, die auf die Plattform zugreifen; zuvor hatte Reddit neue Preise für Drittanbieter angekündigt, die viele davon zur Schließung zwingen würden (mehr erfahren)
Entdeckungen
► Von Milliardären finanzierte Medien fallen einer Return-on-Investment-Logik zum Opfer und sind dadurch unterfinanziert, schreibt Richard Tofel in seinem Newsletter Second Rough Draft (mehr erfahren)
► Christian Meier bewertet die ARD-Reformen in der Welt als zu unkonkret und vermisst radikalere Reformansätze wie die Zusammenlegung einzelner Anstalten (mehr erfahren)
► Laut einer Studie der Universität Bergen lehnen junge Leute Paywalls ab, weil die Artikel dahinter oft das Versprechen nicht einhalten, Zeit rauben und keine attraktiven Bezahlmodelle bieten – Mark Coddington und Seth Lewis gehen in ihrem Newsletter RQ1 näher auf die Ergebnisse ein (mehr erfahren)
► Medienberater Konrad Weber zeigt Anwendungsfelder von künstlicher Intelligenz in Redaktionen und listet KI-Guidelines unterschiedlicher Medien auf (mehr erfahren)
► Spiegel-Journalistin Ann-Katrin Müller, die seit Jahren über die AfD berichtet, erklärt in einem ausführlichen Thread, weshalb der Umgang des Stern mit Alice Weidel kein Umgang ist, mit der AfD umzugehen (mehr erfahren)
Der TikTok-Trendradar von Medieninsider informiert dich fortlaufend über die aktuellen Themen-Trends auf der Videoplattform:
► 22. Juni 2023: Verschollenes Titanic-U-Boot an der Spitze der TikTok-Trends
► 21. Juni 2023: „All Eyez On Me” – Warum banale Schwarzweißfotos auf TikTok immense Reichweiten generieren
► 20. Juni 2023: Green und red flags: So tauscht sich die Community über Vorlieben und No-Gos aus
► 12. Juni 2023: Deutsch-französischer Freundschaftspass – auf die Begeisterung folgt der Shitstorm
► 9. Juni 2023: #AK23 – Outfits und Eskalation zur Abi-Mottowoche holen Millionenreichweiten
Du willst erfahren, was dahinter steckt und welche Reichweiten die Trends in Aussicht stellen? Alle relevanten Infos kannst du als Medieninsider hier abrufen. Und hier kannst du den News-Alert per Newsletter bestellen.
So hilfst du dabei, Medieninsider bekannter zu machen!
Danke fürs Lesen, ! Wenn dir der Lese-Letter gefällt, leite ihn gerne an Kollegen, Bekannte oder Freunde weiter. Wir freuen uns auch, wenn du in sozialen Netzwerken auf unsere Artikel hinweist! In dieser Woche haben das unter anderem Markus Schöberl, Philipp Blanke, Hartmut Feucht und Marion Horn getan.
Wenn du denkst, dass auch deine Kollegen Medieninsider lesen sollten, dann empfehlen sich unsere Corporate-Angebote. Mehr Informationen dazu findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin
Copyright (C) . All rights reserved.