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Lese-Letter 25/2023
Marion Horn, Bild, Paid-Content-IVW, Digital News Report
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Bild-Chefin Marion Horn kündigt im Interview mit Medieninsider eine Kultur des „Respekts und Vertrauens“ an und äußert sich zu den Sparmaßnahmen (direkt zum Interview)
► Im Aufmacher für diesen Newsletter zeige ich auf, wo Respekt und Vertrauen in den vergangenen Tagen nicht so recht zu spüren waren
► Wie diese Sparmaßnahmen bei Bild aussehen, haben wir ausführlich für dich zusammengetragen (direkt zum Artikel)
► Kevin Dusch hat die Paid-Content-IVW für Mai analysiert und zeichnet nach, wie die Publisher derzeit um Abos werben (direkt zum Artikel)
► Der neue Digital News Report des Reuters Institute hält auch Zahlen zum Bezahlverhalten von Internetnutzern bereit – nur sind sie nicht unbedingt plausibel (direkt zum Artikel)
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Vieles, was bei Bild derzeit passiert, ist richtig. Um das Überleben einer Nachrichtenmarke zu sichern, führt kein Weg an „digital only“ vorbei. Radikale Entscheidungen sind dabei ebenso unumgänglich. Die Digitalisierung kann nur gelingen, wenn sie wirklich an erster Stelle steht. Nicht nur bei Bild ist das längst überfällig.
Vieles, was derzeit bei Bild passiert, ist zwar richtig – aber deshalb nicht zwangsläufig gut gemacht. Besonders gemessen an der neuen Kulturparole „Respekt und Vertrauen“ von Chefredakteurin Marion Horn besteht Nachholbedarf. Einige Punkte, die in den vergangenen Tagen nicht im Zeichen des neuen Mottos standen:
► Der Rückbau der Print-Aktivitäten geht mit einer der größten Stellenstreichungen in der Geschichte bei Bild einher. Bis zu 200 sind betroffen. Dass im Gegenzug Personal im Digitalen aufgebaut wird, weil bisherige Ressourcen neu eingesetzt werden, sind bislang größtenteils Lippenbekenntnisse. Denn konkrete Zahlen zur Personalplanung, an denen man sich messen lassen muss, werden keine genannt. Das Gleiche gilt für die neuen Ressorts, zum Aufbau von Wirtschaft & Finanzen und Wissen & Forschung fehlt noch jede Information. Eine Entscheidung gegen Print ist nicht automatisch eine fürs Digitale.
► Wo es keine klaren Zahlen zu Umschichtungen gibt, sind erst recht keine Investitionen zu erwarten. Während Bertelsmann-Chef Thomas Rabe nach dem Zerfall von Gruner + Jahr noch 30 Millionen für den Wiederaufbau des Stern locker macht, muss Springers Bild nun selbst zurechtkommen. Die Kohle für Investitionen ging drauf für den wohl kurzlebigsten Nachrichtensender der TV-Geschichte und horrende Abfindungen zahlreicher Führungskräfte aus den vergangenen Jahren. Managementversagen lässt man sich was kosten – im Zweifel Mitarbeiter.
► Was in dieser Woche hängen blieb: Wer jetzt bei Bild gehen muss, muss auch gehen, weil er durch künstliche Intelligenz ersetzt werden kann. Das davon ausgehende Signal ist verheerend: Mein Co-Gründer Matthias Bannert hat es auf den Punkt gebracht: „Menschen, die ihren Job an eine KI verlieren, werden frustriert sein und sich von der Gesellschaft abgehängt fühlen.“ Unsere Kolumnistin Alexandra Borchardt hat ebenso treffend ergänzt: „Wenn sich ‘Menschen nicht in ihren Fähigkeiten wiederfinden’, umschreibt das oft eine versäumte/fehlende/falsche Personalentwicklung. (...) Wer abbauen will/muss, soll das tun, aber bitte nicht unter dem Vorwand KI.“ Klar ist: Die Pläne für weitere Sparmaßnahmen lagen bei Springer schon in der Schublade, als von den Möglichkeiten von ChatGPT und Co. noch keiner wusste.
► Mehr noch: Wer radikal auf künstliche Intelligenz setzt, wie es bei Bild klingt, schafft damit kaum Vertrauen. Obwohl die Technologie zwar große Fortschritte macht, ist sie längst nicht ausgereift. Der Aufwand für Aus- und Fortbildungen dafür ist nicht zu unterschätzen – und Strukturen haben sich noch nie über Nacht angepasst. Hinzu kommt: Was heute die Print-Produktion ersetzen kann, übernimmt morgen auch die Arbeit im Digitalen. Und während der Mensch selbst noch ran muss, kann er sich kaum auf das orientieren, was morgen gebraucht wird.
In den internen Meetings von Bild wurde zur Transformation in den vergangenen Tagen viel Wahres gesagt. Die Wahrheit mag manchmal unbequem sein, man muss mit ihr umgehen können. Nur macht es die Führung nicht unbedingt leicht:
► CEO Claudius Senst erklärte zwar, dass Angst ein „schrecklicher Zustand“ sei, er die Angst vor dem Jobverlust aber nicht nehmen könne. Besonders schlimm sei die Angst davor, nicht richtig miteinander umzugehen. Seine Reaktion auf die Sorge: Angst habe bei Bild keinen Platz. Man müsse einen Weg finden, ordentlich miteinander zu sprechen. Aufgezeigt hat er ihn nicht.
Das eigene Motto mit Leben füllen, muss auch Chefredakteurin Horn:
► Im Interview mit Medieninsider, in dem sie die Kultur des „Respekts und Vertrauens“ ausgerufen hat, ist nicht nur interessant, was sie sagt. Interessant ist auch, was sie nicht sagt. Es ist viel Platz für klare Worte und Erwartungen, für Betroffenheit oder Empathie eher nicht.
► Im internen All Hands am Dienstag, in dem die Chefredakteurin ihren Mitarbeitern erklärte, dass ein großer Teil von ihnen demnächst durch Künstliche Intelligenz ersetzt wird, war sie zudem noch zu Scherzen aufgelegt. Doch Witze über Psychologen am Newsdesk oder Freude über weitere Ersparnisse durch den anstehenden Umzug wirken in einer solchen Situation deplatziert.
► Als ebenso respektlos wurde eine vor versammelter Belegschaft erteilte Rüge der Redaktion empfunden. Unter anderem am Beispiel von Wärmepumpen kritisierte sie ein zu geringes Fachwissen. Vor allem im Politikteam erhitzte das die Gemüter. Ressortleiter Jan Schäfer hielt es offenbar für nötig, der öffentlich gewordenen Kritik via Twitter zu entgegnen.
► Ähnlich aufgefasst wird, was an den regionalen Standorten geschieht. Erst vor drei Wochen forderten die (teuren) Regio-Chefs von ihren Truppen vollen Fokus auf Digitalisierung ein, um im Zuge von „digital only“ als erstes wegrationalisiert zu werden – ein Misstrauen weckendes Signal.
► Auf die schlechten Nachrichten folgt der Druck. Bild wolle keine Einschnitte in der journalistischen Kreation, wie man es intern nennt. Reporter und schreibende Redakteure sollen unversehrt bleiben. Horn aber hat aber noch einmal unterstrichen: Sicher fühlen muss sich niemand. Die Chefredakteurin erwartet „Hochleistungsreporter“, erklärte sie in internen Runden am Montag. Man habe in den vergangenen Wochen eine Definition dafür erarbeitet. Ebenso wurden Ressortleiter nach Medieninsider-Infos in den vergangenen Wochen nach ihren Leistungsträgern befragt. Intern redet man von einer umgedrehten Kill-List. Ein Vorgehen wie dieses schüchtert ein – und wer eingeschüchtert ist, kann schwer vertrauen.
Fazit: Der Wandel bei Bild gewinnt derzeit rasant an Tempo. Mit Horn steht nun eine Chefredakteurin an der Spitze, die nicht viel Zeit für große Worte hat und mit einer Art auftritt, wie man es bei Bild lange nicht mehr gewohnt war. Sie sagt zwar ungefiltert, was sie denkt, und will – wie sie selbst beschreibt – keinen Knoten in der Zunge haben. Eine Kultur des Respekts aber erfordert, sich manchmal auf die Zunge zu beißen.
Zu dem bereits erwähnten Interview mit Marion Horn hatte ich vor den Entwicklungen am Montag die Gelegenheit. Es ist das erste seit ihrem Amtsantritt. Darin geht es um ihre Rückkehr und die radikalen Entscheidungen. Diese, sagt sie, seien „nicht nur notwendig, sondern überfällig“. Man müsse sich nun auf das konzentrieren, was man in Zukunft wirklich brauche. „Das ist nichts Ehrenrühriges.“
Die Maßnahmen bei Bild beinhalten einen umfassenden Stellenabbau, der vor allem an den Regionalstandorten zu spüren sein wird, gleich mehrere werden aufgelöst. Zudem wird redaktionell in Berlin zentralisiert. Alle Details im Überblick:
Der mit insgesamt 30.000 € dotierte Preis wird für besondere Leistungen im Wirtschafts- und Finanzjournalismus vergeben.
Im Mai 2023 ging es für viele der Publisher, die der IVW ihre Paid-Content-Abos melden, bergauf – wenn auch eher gemächlich. Dabei setzen sich etablierte Trends fort: Bild wächst mit Dauerangeboten im günstigen Preissegment, die FAZ kämpft gegen Abwanderung. Währenddessen gab es außergewöhnliche Umschichtungen im Abo-Bestand der Welt.
Der Digital News Report des Reuters Institute an der Universität Oxford liefert jährlich auch Werte zum Bezahlverhalten der Internetnutzer. Die Ergebnisse sind für deutsche Medienschaffende ernüchternd. Im Jahr 2022 soll die Zahlungsmoral sogar wieder gesunken sein. Kann das sein? Angesichts anderer Parameter erscheinen die Zahlen aus dem News-Report wenig plausibel – und nicht nur an dieser Stelle. Wo die Studie mit Vorsicht zu genießen ist und was die Autoren dazu sagen.
► Stern: Carly Laurence ersetzt Tibor Martini als Social-Media-Chef, Laura Rodrigues wird Multimedia-Leiterin, Miriam Hollstein kommt als Chefreporterin
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News:
► Die künftige RBB-Intendantin Ulrike Demmer verdient laut Süddeutsche Zeitung mindestens 110.000 Euro weniger als Ex-Intendantin Patricia Schlesinger, die jährlich rund 340.000 Euro bekommen hatte (mehr erfahren)
► Der Presserat weist eine Beschwerde gegen den Zeit-Artikel über die Döpfner-Chats zurück und rügt Berliner-Zeitung-Verleger Holger Friedrich wegen „Verletzung des Informantenschutzes“ (mehr erfahren)
► ProSiebenSat.1 kündigt an, mehrere Hundert Stellen zu streichen – es sollen mehr Jobs wegfallen, als bei früheren Strukturmaßnahmen; der Streamingdienst Joyn soll in den nächsten zwei Jahren seine Nutzerzahl von vier Millionen verdoppeln (mehr erfahren)
► Wegen eines Hacker-Angriffs auf den IT-Dienstleister der Rheinischen Post Mediengruppe war RP Online Anfang der Woche nicht erreichbar, die Montagsausgaben der Rheinischen Post, des General-Anzeigers in Bonn und weiterer Zeitungen erschienen in einer reduzierten Ausgabe und als kostenloses E-Paper (mehr erfahren)
► Auch das Handelsblatt ist vom Hackerangriff auf den IT-Dienstleister der Rheinischen Post Mediengruppe betroffen und erscheint in geringerem Umfang (mehr erfahren)
► Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Protagonistinnen einer Zeit-Recherche über den Galeristen Johann König wegen des Verdachts auf Falschaussagen in eidesstattlichen Erklärungen – in diesem Zuge gibt es auch Ermittlungen gegen Zeit-Autorin Carolin Würfel wegen übler Nachrede (mehr erfahren)
► Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt muss seine Medienkontakte aus seiner Zeit als Hamburger Politiker während der Cum-ex-Affäre doch nicht offenlegen, entscheidet das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg – im März 2023 hatte das Berliner Verwaltungsgericht gegenteilig entschieden (mehr erfahren)
► Die Geschäftsführerin der Axel-Springer-Tochter Mediahouse Berlin (unter anderem Blau, Rolling Stone und Metal Hammer), Petra Kalb, hat 80 Prozent des Unternehmens übernommen, Springer bleibt zu 20 Prozent beteiligt (mehr erfahren)
► Die Holding-Gesellschaft GoDigital hat ein Angebot zwischen 300 und 350 Millionen US-Dollar abgegeben um Vice Media zu kaufen (mehr erfahren)
Entdeckungen:
► Anna Driftschröer spekuliert im Manager Magazin über das unternehmerische Erbe von Silvio Berlusconi und hält es für möglich, dass sein Medienunternehmen Mediaforeurope von einem dessen zweitgrößtem Anteilseigner Vivendi übernommen werden könnte (mehr erfahren)
► Friedensnobelpreisträgerin Marie Ressa kritisiert die Methode des Digital News Report vom Reuters Institute for the Study of Journalism als gefährlich, sie würde den Journalismus gefährden und die Auswirkungen von Desinformation ignorieren; Ressa war 2022 aus dem Beirat des Instituts ausgetreten (mehr erfahren)
► Laut einem Report von Challenger, Gray & Christmas hat die US-Medienbranche 2023 bisher mehr als 17.000 Stellenstreichungen verkündet, mehr als je zuvor zu diesem Zeitpunkt des Jahres (mehr erfahren)
Der TikTok-Trendradar von Medieninsider informiert dich fortlaufend über die aktuellen Themen-Trends auf der Videoplattform:
► 20. Juni 2023: Green und red flags: So tauscht sich die Community über Vorlieben und No-Gos aus
► 12. Juni 2023: Deutsch-französischer Freundschaftspass – auf die Begeisterung folgt der Shitstorm
► 9. Juni 2023: #AK23 – Outfits und Eskalation zur Abi-Mottowoche holen Millionenreichweiten
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Marvin
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