- Medieninsider
- Posts
- Lese-Letter 23/2023
Lese-Letter 23/2023
Spiegel, Bild, Social Media, Ukraine-Berichte, Welt, Rheinpfalz, TikTok-Charts
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Beim Spiegel wird es verdächtig schnell wieder ruhig – doch das sollte nicht täuschen.
► Bild baut sein Social-Media-Ressort um – was nicht nur strategische Gründe hat (direkt zum Artikel)
► Eine finnische Redaktion überprüft zahlreiche Ukraine-Berichte eines Autors, der auch für deutsche Medien gearbeitet hat – wie Welt und Rheinpfalz damit umgehen (direkt zum Artikel)
► In den TikTok-Charts von Simon Pycha fällt auf: Die Öffentlich-rechtlichen bauen ihre Aktivitäten aus, während sich private Anbieter zurücknehmen (direkt zum Artikel)
► Anne-Kathrin Gerstlauer kommt zu unserem nächsten Q&A und berichtet darüber, wie sie ihren Newsletter Texthacks aufgebaut hat (direkt zur Anmeldung)
Bestelle neben diesem Lese-Letter auch unseren neuen ☑ Job- und Karriere-Letter oder den☑ TikTok-Radar. Setze in deinem Profil einfach den Haken hinter den gewünschten Ausgaben:
Beim Spiegel scheint schnell wieder Ruhe eingekehrt zu sein. Wer nach dem Rauswurf von Chefredakteur Steffen Klusmann nicht in Gleichgültigkeit verfallen ist, zeigt sich resigniert. Selbst das Lager der Empörten, die sich nach Bekanntwerden der Nachricht sofort gegen ihre Vertreter in der einflussreichen Mitarbeiter KG positioniert hatten, ist weitgehend verstummt. Ihr Antrag auf Abwahl der KG-Geschäftsführer war schneller vom Tisch, als er formuliert war. Möglicherweise haben die Initiatoren selbst nicht daran geglaubt, bei einem Misstrauensvotum die erforderliche Zweidrittelmehrheit der stillen Gesellschafter zu erreichen. Die Menschen sind nicht begeistert von dem, was passiert, manche sind eher enttäuscht oder sogar wütend. Aber der große Volksaufstand bleibt aus.
Haben ich beim Spiegel also alle mit der neuen Situation arrangiert? Wohl kaum.
Die Stille wirkt vielmehr wie die Ruhe vor dem nächsten Sturm. Man schweigt, aber man wird sicher nicht vergessen. Der Machtkampf inklusive der hauspolitischen Intrigen ist zurückgekehrt und wer Verantwortung trägt, sollte auf der Hut sein. Das gilt wohl vor allem für das operative Management und insbesondere für den Geschäftsführer Stefan Ottlitz, den viele für den Treiber der schwer nachvollziehbaren Veränderungen halten. Er hat ein Minenfeld betreten, dessen Größe schwer abzuschätzen ist.
Doch der Geschäftsführer demonstriert dem Vernehmen nach Gelassenheit. Das ist nach einem gerade für ihn entschiedenen Machtkampf weder überraschend noch bleibt ihm etwas anderes übrig. So oder so verfügt er bekanntermaßen über ein ausgeprägtes Selbstvertrauen.
Der Manager dürfte meinen, sein Schicksal selbst in der Hand zu haben. Insider unterstellen ihm den Plan, aus seiner Rolle als Geschäftsführer heraus die weitere Transformation des Spiegel voranzutreiben, während sich der von ihm ins Chefredakteursamt bugsierte Dirk Kurbjuweit ums Inhaltliche und die publizistische Linie kümmern wird. Thesen wie diese werden von anderen Medienberichten gestützt. Vergangene Woche hatte sich die Zeit mit den jeweils eigenständigen Maßnahmen von Ottlitz und Klusmann befasst und das als Kernpunkt für den Konflikt ausgemacht.
Was aber ebenfalls Teil der neuen Realität ist: Das Schicksal der Geschäftsführung – damit ist auch der in den Hintergrund geratene Thomas Hass gemeint – hängt nun vor allem an Dirk Kurbjuweit. Der neue Chefredakteur gilt als ihr Wunschkandidat. Entsprechend wird auf den Fluren des Spiegel kolportiert, dass dies auch von Mitgliedern der KG-Leitung zum Ausdruck gebracht wurde. So soll Thomas Riedel, für die Dokumentationsabteilung in die KG-Geschäftsführung entsandt, sich in einer internen Runde entsprechend geäußert haben. Auf Nachfrage will Riedel die Darstellung „korrigieren“. Er erklärt: „In einer Gesprächsrunde mit der Spiegel-Dokumentationsabteilung habe ich vielmehr deutlich gemacht, dass Dirk Kurbjuweit als neuer Chefredakteur die volle und geschlossene Unterstützung der Geschäftsführung des Spiegel sowie aller Gesellschafter, allen voran der Mitarbeiter KG, hat.“
Sätze wie diese wird man auf Wiedervorlage legen können. Man muss kein Profi im Machtpoker sein, um zu wissen: Läuft in den kommenden Monaten etwas schief beim Spiegel, wird das der Geschäftsführung angelastet. Die KG-Leitung hat Ottlitz einmal den Rücken gestärkt. Beim nächsten Mal wird sie sich selbst schützen müssen. Gleich zwei mögliche Konfliktpunkte sind leicht ausgemacht:
► Auch wenn der Spiegel gerade versucht, das fünfjährige Bestehen seines digitalen Bezahlmodells Spiegel+ zu inszenieren: Auch das Nachrichtenmagazin sieht sich mit den allgemeinen Entwicklungen des Marktes konfrontiert. Und die sind: schwierig. Auch wenn der wirtschaftliche Erfolg der vergangenen beiden Jahre nicht allein auf den Chefredakteur zurückgehen, kann Klusmann sie dennoch in seiner Bilanz verbuchen. Das erste Jahr von Kurbjuweit könnte mit durchwachsen werden.
► Entscheidend für die Stimmung im Haus wird auch sein, wie der Chefredakteur mit einem unter Klusmann nicht beseitigten Konflikt weiter umgehen wird. Der Streit im Wissenschaftsressort, der über Business Insider an die Öffentlichkeit getragen wurde, gilt nach der Personalie wieder als angeheizt. Der Ressortleitung wird eine toxische Redaktionskultur und Mobbing einzelner Mitarbeiter vorgeworfen. Während Teile der Belegschaft den Vorwürfen glauben, halten andere sie für eine Kampagne alter Führungskräfte und Printredakteure. Deutlich wurde die Zerrissenheit beim Treffen mit der Geschäftsführung am Tag nach der Abberufung Klusmanns. Nachdem Personalchef Felix Blum zentrale Vorwürfe als unbestätigt erklärte, meldete sich eine Redakteurin unter Tränen zu Wort, um die Zustände noch einmal zu beklagen. Nach Informationen von Medieninsider gab es anschließend die Forderung an die Geschäftsführung, das Führungspersonal per Stellungnahme zu entlasten. Geschehen ist das bislang nicht. Chefredakteur Kurbjuweit hat unterdessen eine erste Entscheidung zum weiteren Umgang mit dem Ressort getroffen – und den Vertrag von Ressortleiter Michail Hengstenberg verlängert. Eine Sprecherin des Spiegel antwortet auf Nachfrage zur Verlängerung: „Ja, Michail Hengstenberg ist Ressortleiter Wissenschaft beim Spiegel.“
Das Social-Media-Team bei Bild arbeitet seit einigen Wochen in einer neuen Struktur: Dafür wurde das Audience Development um Ressortleiter Daniel Böcking in seiner bisherigen Form aufgelöst. Die neue Organisation hat nach Medieninsider-Recherchen keine rein strategischen Gründe, sondern ist das Ergebnis einer monatelangen Eskalation innerhalb des Teams.
Werbung
Wer Medienwandel mitgestaltet, informiert sich über eine neue Generation von Fachmedien. Was uns verbindet: Nutzwertigkeit, Progressivität, Konstruktivität und Unabhängigkeit. Aus diesem Grund hat sich Medieninsider mit thematisch ergänzenden Podcasts und Newslettern in der Vermarktung zusammengeschlossen. Über dieses einmalige Mediennetzwerk erreichen Kunden die Akteure der Publishing Economy direkt, mit gezielter Ansprache und ohne große Streuverluste.
Die finnische Zeitung Iltalehti hat zahlreiche Artikel eines freien Journalisten zurückgezogen, nachdem Zweifel an seinen Berichten aus ukrainischen Kriegsgebieten aufgekommen waren. Der Vorfall alarmiert auch Redaktionen in Deutschland. Hier haben Welt und Rheinpfalz mit dem Autoren zusammengearbeitet. Wie es zu den Zweifeln an der Berichterstattung kam und die deutschen Medien damit umgehen.
Das Publisher-Ranking für Mai zeigt, mit welchen Themen digitale Journalismusmarken auf TikTok erfolgreich sind. Während sich öffentlich-rechtliche Accounts auf der Plattform weiter dominant zeigen, fliegt einer der bislang erfolgreichsten im Mai aus dem Ranking.
The Pioneer
Berlin
Stiftung Warentest
Berlin
MovactBerlin oder remote
MovactBerlin
Medieninsider
Berlin oder remote
Möchtest du auch deine Stellen in unserem Transformationsmarkt platzieren? Dann stelle sie hier online ein oder schreib eine E-Mail an [email protected].
News:
► Für die RBB-Intendantenwahl am 16. Juni 2023 stehen Ex-Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer, Vodafone-Geschäftsführerin Heide Baumann und die Digital-Chefredakteurin von ARD Aktuell, Juliane Leopold, zur Wahl; Interims-Intendantin Katrin Vernau findet sich nicht auf der Liste der Personalkommission (mehr erfahren)
► Die Personalvertretung des RBB kritisiert die Darstellung der drei Intendanten-Kandidatinnen als einzig geeignete – der beste Kandidat (gemeint ist offenbar Jan Weyrauch von Radion Bremen) werde nicht aufgeführt, weil der Verwaltungsrat in die Auswahl eingegriffen und eine Vergütungsobergrenze bestimmt habe (mehr erfahren)
► Bild könnte laut Spiegel die Talksendung Viertel nach Acht nicht aus der Sommerpause wiederkehren lassen (mehr erfahren)
► Die Spiegel Gruppe wechselt ihre Vermarkter, geht von Bertelsmanns Ad Alliance ab 2024 zu den Holtzbrinck-Vermarktern IQ Media und IQ Digital (mehr erfahren)
► T-Online will laut Business Insider ab Sommer bei Reisen und Veranstaltungen sparen, sollten sich Reichweite und Rendite nicht erholen (mehr erfahren)
► Die tschechische Milliardärin Renáta Kellnerová hat laut Handelsblatt ihre Anteile an ProSiebenSat.1 von 10,1 auf 15,04 Prozent erhöht, damit erhält ihr Unternehmen PPF 11,6 Prozent der Stimmrechte und untermauert Kellnerovás Forderung nach einem Aufsichtsratsplatz (mehr erfahren)
► Hunderte Mitarbeiter von Springers US-Tochter Insider Inc. haben am Freitag gestreikt, nachdem die Tarifverhandlungen nicht vorankamen, das Unternehmen hatte eine Gehaltsuntergrenze von 63.000 US-Dollar, eine gestaffelte Lohnerhöhung und eine leichte Steigerung der Krankenversicherung angeboten (mehr erfahren)
► Meta droht mit Ausschluss von News-Links in Kalifornien, wenn der Bundesstaat ein geplantes Gesetz vorantreibt, das die Plattformen des Unternehmens für Nachrichteninhalte besteuern würde (mehr erfahren)
► Spotify will 200 Stellen in der Podcast-Sparte streichen, was zwei Prozent der Belegschaft entspricht, die Produktions-Töchter Parcast und Gimlet Studios sollen zusammengelegt werden – Spotify hatte bereits Anfang 2023 rund 600 Mitarbeiter entlassen (mehr erfahren)
Entdeckungen:
► Medien-Analyst Thomas Baekdal schreibt in seinem Newsletter, dass digitale Reichweite an Bedeutung verliert und qualitative Werte aus der Print-Ära zurückkehren – ein Grund sei, dass Werber keine „zufälligen Massen“ wollen, sondern echte Verbindungen zu ihrer Zielgruppe (mehr erfahren)
► Eli Sanders kritisiert in The Atlantic, dass die Community-Plattform Nextdoor in den USA Schauplatz für kommunalpolitische Hetzkampagnen und Fake News geworden ist, dagegen aber nichts unternimmt (mehr erfahren)
► Laut einer Studie der World Association of News Publishers, zusammengefasst von Bron Maher in PressGazette, nutzen bereits 49 Prozent der befragten generative KI, vorrangig zur Texterstellung, Redigatur, Recherche und Prozessoptimierung (mehr erfahren)
► Ein Report des Center for Countering Digital Hate legt nahe, dass Twitter Hass-Inhalte von zahlenden Nutzern nicht entfernt, auch wenn sie gegen die Richtlinien des Netzwerks verstoßen und durch das Abo der Nutzer häufiger ausgespielt werden (mehr erfahren)
► Ex-WDR-Sprecher Jürgen Bremer kritisiert in der FAZ zu enge Verstrickungen der ARD-Aufsichtsgremien und fordert von der Politik Anpassungen, um künftig Skandale wie den beim RBB zu vermeiden (mehr erfahren)
So hilfst du dabei, Medieninsider bekannter zu machen!
Danke fürs Lesen, ! Wenn dir der Lese-Letter gefällt, leite ihn gerne an Kollegen, Bekannte oder Freunde weiter. Wir freuen uns auch, wenn du in sozialen Netzwerken auf unsere Artikel hinweist! Dank dafür geht in dieser Woche unter anderem an Fritz Michalsky, Volker Thoms, Goran Majic und Thomas Knüwer.
Wenn du denkst, dass auch deine Kollegen Medieninsider lesen sollten, dann empfehlen sich unsere Corporate-Angebote. Mehr Informationen dazu findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin
Copyright (C) . All rights reserved.