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Lese-Letter 20/2024
Süddeutsche Zeitung, Wolfgang Krach, Funke, Christoph Rüth, Lokaljournalismus, Christian Schertz
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Kommentar: Die Rede von Süddeutsche-Chefredakteur Wolfgang Krach in der Redaktion wirkt eher wie der Versuch, sich selbst zu schützen
► Details: Wie Krach seine Reue-Rede in eine Kampfansage verwandelte (direkt zum Artikel)
► News: Exodus und kein Ende – weitere Redaktionsmitglieder verlassen die SZ (direkt zum Artikel)
► Recherche: Anna Ernst berichtet, wie die Funke Mediengruppe heimlich eine Tochtergesellschaft aushöhlt (direkt zum Artikel)
► Event: Im Q&A kommende Woche spricht Kai Röhrbein darüber, wie er mit der Walsroder Zeitung im Lokalen unabhängig bleiben will (direkt anmelden)
► Petition: Die Community des Machtwechsel-Podcasts von Robin Alexander und der scheidenden WamS-Chefin Dagmar Rosenfeld kämpft nach ihrem Abgang für eine Fortsetzung (am Ende des Newsletters)
► Video-Tipp: Weshalb man als Journalist die ARD-Doku über Christian Schertz schauen sollte (am Ende des Newsletters)
► Neue Stellenanzeigen: Medien Bayern sucht einen Marketing Manager, Steady braucht Unterstützung bei Finance & Accounting (zum Jobportal)
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Es hatte zunächst den Anschein einer Reue-Rede, entpuppte sich zum Ende aber doch als Kampfansage.
Nachdem er eineinhalb Wochen lang geschwiegen hatte, äußerte sich Chefredakteur Wolfgang Krach am Montag erstmals zur jüngsten Berichterstattung über ihn und die Süddeutsche Zeitung. Das Medium Magazin hat die Entwicklungen der vergangenen Jahre zusammengefasst und beschrieben, wie Krach nach einer Reihe von Fehlern den Rückhalt in der Redaktion verliere. Drei davon gestand er in der Runde am Montag ein.
Für Journalisten im Allgemeinen und für die Süddeutsche im Speziellen ist es bemerkenswert, wie redundant die Entwicklungen dabei sind. Denn für keinen der drei identifizierten Fehler entschuldigte sich der Chefredakteur zum ersten Mal. Und alle drei Fehler sind vor allem auf eines zurückzuführen: auf gravierende Defizite in der Kommunikation.
Sowohl in der Causa Aiwanger als auch im Umgang mit der Affäre Söring und bei der so genannten Maulwurfsjagd, für die die Süddeutsche die Kommunikationsdaten ihrer eigenen Mitarbeiter durchsuchen ließ (man kann es nicht oft genug betonen), reagierten Krach und Kollegen entweder zu spät, zu unbeherzt oder zu emotional. Intern wurde viel besprochen, letztlich aber wenig gehandelt. Wie lange will man „aus Fehlern lernen“, bis man sie nicht mehr wiederholt?
In seiner Rede in der Redaktion versuchte Krach, die augenscheinlichen Defizite zu begründen – es sei ihm stets darum gegangen, die Redaktion zu schützen. Er sprach dabei – wiederholt – von „Angriffen“ von außen. Doch von dort wirkt Krachs Verhalten anders. Es wirkt, als wollte er sich selbst schützen. Womöglich hat er es auch bei seinem Auftritt am Montag versucht.
Die von ihm angeführten Erfolge wecken wohl kaum Korpsgeist, sie entfachen keine Motivation. Sie wirken wie eine Auflistung, die man seinen Gesellschaftern in einer Powerpoint-Präsentation vorträgt. Krachs Auftritt war keine Reue-Rede, sondern eine Verteidigung, gefolgt von einer – wieder emotionalen – Kampfansage:
„Ich werde mich nicht unterkriegen lassen.“
Stehen bleibt die Frage: Wenn Krach die Redaktion vor „Angriffen“ schützen will – wer schützt die Redaktion vor ihrem Chefredakteur?
Die bisherigen Entwicklungen nehmen derweil weiter ihren Lauf. Nach Informationen von Medieninsider werden in den nächsten Monaten weitere Topkräfte und anerkannte Autoren die SZ verlassen:
Eine Funke-Tochter wird ausgehöhlt, etliche Menschen verlieren ihre Jobs. Das alles geschieht still und leise, sodass es nicht einmal im eigenen Konzern die Runde macht.
Unsere Q&As sind digitale Runden, in denen wir dich und weitere Mitglieder gezielt mit Experten und spannenden Menschen aus unserer Branche zusammenbringen.
Du kannst in geschützter Atmosphäre Fragen stellen. Die Q&As werden weder aufgezeichnet noch anderweitig verwertet, um einen vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten.
In den kommenden Wochen begrüßen wir wieder inspirierende Gäste, die sich auf den Austausch mit dir und anderen Medieninsidern freuen!
22. Mai 2024, 18.30 Uhr: Wie sichern Lokalverlage ihre Unabhängigkeit?
Die Transformation im Lokaljournalismus ist eine besondere Herausforderung, auf die viele Medien mit zentral gesteuerten Synergien antworten. Doch wie gelingt der Wandel, ohne sich unter das Dach eines großen Zeitungskonglomerats zu begeben oder Abhängigkeiten durch tiefgreifende Kooperationen zu schaffen? Antworten darauf sucht Kai Röhrbein, der gemeinsam mit seinem Bruder Clemens die Walsroder Zeitung in dritter Generation führt. Im Q&A spricht Kai über Chancen durch die Digitalisierung, Herausforderungen beim Wandel und die „Mission 2025“, mit der die Zeitung aus Niedersachsen ihre Unabhängigkeit bewahren will.
6. Juni 2024, 19.00 Uhr: Von Print zu digital – wie nehme ich meine Leser mit?
Nahezu jeder Verlag muss sich Gedanken über den Abschied aus dem Printgeschäft machen, wie es bislang selbstverständlich war. Sonntagszeitungen erscheinen bereits zum Wochenende, tägliche Zeitungen werden ein- die Berichterstattung auf digitale Kanäle umgstellt – und die große Frage lautet: Wie nehme ich meine Abonnenten mit? Philipp Dudek und Jan Weiß befassen sich beruflich mit der Frage und haben Mittel und Wege analysiert, wie Verlage ihre Leser bei der Umstellung begleiten können. Im Q&A teilen sie ihre Eindrücke aus der Praxis.
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News
► Ströer meldet für das erste Quartal 2024 ein Umsatzplus von elf Prozent auf 453,4 Millionen Euro und ein Gewinnplus von zwölf Prozent auf 108,4 Millionen Euro (mehr erfahren)
► ProSiebenSat.1 meldet für das erste Quartal 2024 einen Umsatzwachstum von sechs Prozent auf 867 Millionen Euro, das angepasste EBITDA wuchs um 35 Prozent auf 72 Millionen Euro (mehr erfahren)
► Mitarbeiter der MDR-Redaktion „Politische Magazine und Reportagen“ haben gemeinsam mit freien Autoren einen offenen Brief veröffentlicht, in dem sie die ARD-Anstalt auffordern, ihre Sparpläne zurückzunehmen, um dem öffentlich-rechtlichen Auftrag weiter nachzukommen (mehr erfahren)
► Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt lädt seit 2024 keine Journalisten mehr zu regelmäßigen Hintergrundgesprächen ein, schreibt der Tagesspiegel – solche Termine hatte er in der Vergangenheit häufig und zuletzt monatlich veranstaltet, um aus seiner Sicht inkorrekte Berichterstattung ins vermeintlich richtige Licht zu rücken (mehr erfahren)
► Vice Media hat nach seiner Insolvenz ein Joint Venture mit Savage Ventures angekündigt, um seine Marken Vice.com, Munchies, Motherboard und Noisey wieder online zu bringen, dafür investiere Savage einen zweistelligen Millionenbetrag (mehr erfahren)
► Das Netflix-Board hat seinen Aktionären empfohlen, eine Resolution aus ihren Reihen abzulehnen – die Mitglieder der Mount St. Scholastica Benedictine Sisters unter den Aktionären wollen mit der Resolution ihren Ethik-Kodex bei Netflix verankern. Anlass für die Forderung ist, dass Netflix-Board-Mitglied Mathias Döpfner in der Reichelt-Affäre missbräuchliches Verhalten geduldet habe (mehr erfahren)
► TikTok plant nicht nur eigene, sondern auch fremde KI-Inhalte mit einem Wasserzeichen zu kennzeichnen (mehr erfahren)
Entdeckungen:
► Mark Stenberg beschreibt bei Adweek anhand eines geleakten Dokuments, wie OpenAI Lizenz-Deals mit Publishern verhandelt, Bestandteil vom Standard-Pitch sei unter anderem eine bessere Markenplatzierungen in Chats (mehr erfahren)
► Eine neue Mockumentary-Serie von den The Office-Machern soll im gleichen Universum die Geschichte einer sterbenden Zeitung im mittleren Westen begleiten, die mit freiwilligen Reportern gerettet werden soll (mehr erfahren)
#MachtWeiterMachtwechsel
„Sollte dieser Podcast eingestellt werden, klebe ich mich auf die A 100.“ Der Tweet alleine lässt offen, ob Micky Beisenherz hier ein Argument für oder gegen die Fortsetzung von Machtwechsel liefert. Der beigefügte Link legt allerdings nahe, dass es eines dafür sein soll.
Er führt zu einer vor sechs Tagen erschienenen Petition, die sich für den Erhalt des Podcasts aus dem Welt-Kosmos einsetzt. Dessen Fortsetzung steht offenbar zur Debatte, weil Co-Host und Welt am Sonntag-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld den Titel bereits verlassen hat, um zukünftig von der Pioneer One zu funken, dem Medienschiff von Gabor Steingart. Dessen The Pioneer gehört zwar auch zu etwa einem Drittel zum Springer-Konzern, ist aber eben doch ein anderes Medium.
Bemerkenswert ist nicht nur Beisenherz’ Einsatz für den Springer-Podcast, sondern auch der weiterer prominenter Medienmacher. So twitterte Anne Will genauso unter dem Hashtag #Machtweitermachtwechsel wie Rosenfelds Co-Host. So wies auch Welt-Politikchef Robin Alexander, der eine zeitlang selbst freitags im Morning Briefing-Podcast von The Pioneer zu hören war, auf die Petition hin. Was die – Stand Dienstagabend – 1428 Unterschriften bringen? Unklar. Der Idee abgeneigt scheint die zukünftige Co-Herausgeberin von The Pioneer allerdings nicht. Immerhin hat sie, anders als Gabor Steingart, die Petition retweetet.
Sympathy for the Devil
Es gibt neuen Filmstoff für Journalisten. Der Star-Anwalt und die Medien heißt die Dokumentation, die das Erste dem berühmt-berüchtigten Medienanwalt Christian Schertz spendiert hat. Ich selbst habe sie noch nicht gesehen, werde am Wochenende aber der Empfehlung meiner Kollegin Anna Ernst folgen. Sie schreibt:
Der Teufel thront oberhalb des Rimowa-Koffer-Stores am Ku'damm. Er hat ein schickes Altbau-Büro mit hohen weißen Türen und sammelt Beatles-Devotionalien. Wer seine Dienste in Anspruch nimmt, hat meist ausreichend Geld für ein ganzes Set hochpreiser Gepäckstücke – und ist entweder A-Promi oder zumindest spannend genug, um Journalisten eine Story wert zu sein.
So sieht – etwas überspitzt – sehr wahrscheinlich das gängige Bild aus, das einige Menschen in der Medienbranche vor Augen haben, wenn sie an den Medienanwalt Christian Schertz denken. Ist der Mann mit dem humorvollen Namen wirklich der Teufel oder doch ein Engel?
Die Journalistin Nora Binder hat den Anwalt bei der Arbeit begleitet, schildert seine bekanntesten Fälle und lässt das Who’s who der Polit- und Medienbubble aus Berlin, Hamburg und Potsdam zu Wort kommen. Nach der Serie Legal Affairs von 2021 (Ideengeber damals: Christian Schertz persönlich), ist es bereits die zweite Annäherung des Ersten an das Thema Medienrecht. Dieses Mal also eine Doku statt Fiktion.
Neugierig auf sie wird man schon allein aufgrund der gemischten Kritiken. Die Nachrichtenagentur KNA etwa schreibt von einer „Dauerwerbesendung für die Spezies Medienanwalt im Allgemeinen und für Schertz im Besonderen“. Der Tagesspiegel titelt süffisant: „Deutschlands gefürchtetster Medienanwalt ist nicht zu fassen“.
Für Medienschaffende gibt es mindestens zwei weitere Gründe, die die Doku sehenswert machen:
► In ihren besten Szenen ist sie nicht nur ein Schertz-Porträt, sondern auch ein Film über Medienethik, Presserecht und Krisenkommunikation. Sie erinnert Journalisten daran: Jeder Text, jede Schlagzeile, jede ausgedruckte Recherchemail könnte eines Tages mal auf einem Richtertisch liegen.
► Wer schon immer wissen wollte, wie genau der Bart des Medienanwalts denn nun aussieht und wie weit sein Hemd vor der Fernsehkamera auf- oder zugeknöpft ist (Grüße gehen raus ans Manager Magazin), der kann sich nun fast 60 Minuten lang einen Eindruck davon verschaffen.
Wir behalten den Wandel der Medienbranche für dich im Auge – ermögliche mehr von unserem unabhängigen Medienjournalismus mit einer Mitgliedschaft. Wenn du denkst, dass auch deine Kollegen Medieninsider lesen sollten, dann empfehlen wir unsere Corporate-Angebote. Mehr Informationen dazu findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin
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