Lese-Letter 13/2024

Kölner Stadt-Anzeiger, Julian Reichelt, Florian Schroeder, Bild, Johannes Boie, Ulf Poschardt, Tokyo Vice

Hallo !

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:

 

► Der Kölner Stadt-Anzeiger entzieht seiner Redaktion den Webauftritt (direkt zum Artikel) – man muss kein Journalist sein, um hier skeptisch zu werden

► Auch der Satiriker Florian Schroeder hat mit dem gebrochen, was für viele ein Tabu ist – im Interview spricht er über die Beweggründe für seinen Auftritt bei Achtung! Reichelt (direkt zum Interview)

► Ein Jahr nach dem großen Eklat hat sich Axel Springer mit den Ex-Bild-Chefs Alexandra Würzbach und Claus Strunz geeinigt – nur die Verhandlungen mit Johannes Boie bleiben eine Hängepartie (direkt zum Artikel)

► Man kann versuchen, mit kritischer Berichterstattung konstruktiv umzugehen – oder man verschanzt sich wie Welt-Chef Ulf Poschardt in der Wagenburg (am Ende des Newsletters)

► Ostern steht vor der Tür – die ARD-Mediathek hält für Journalisten die passende Serie zum Binge Watching bereit (am Ende des Newsletters)

► Vor den Feiertagen geben wir dir noch Inspiration mit: In unserem Q&A morgen Abend geht es um die Veränderungen in der Arbeitswelt und den Begriff New Work 2.0 (direkt zur Anmeldung)

► Finde deinen neuen Job in unserer Jobbörse – Table Media sucht Sales-Spezialisten, Ressourcenmangel baut redaktionell aus (zum Jobportal)

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„Am Ende bezahlt unser aller Gehalt nicht der liebe Gott, sondern das Geld, was wir alle gemeinsam verdienen.“

Aussagen wie diese können ziemlich gefährlich werden. Besonders, wenn sie von Managern journalistischer Medienhäuser kommen – was uns folgendes Beispiel zeigt.

In diesem Fall stammt die Aussage von Thomas Schultz-Homberg, dem Geschäftsführer der Kölner Stadt-Anzeiger Medien, die zum einst stolzen Verlagshaus DuMont gehören. Fallen lassen hat er den Satz in der vergangenen Woche, als er vor seiner Redaktion den Offenbarungseid geleistet hat, weshalb man nun zu radikalen Mitteln greift.

Zukünftig steht der digitale Auftritt KSTA.de nicht mehr unter der Kontrolle der Redaktion, sondern des „Digital Competence Centers“ (DCC). Das klingt kompetent und bestimmt ist es das auch – nicht aber in journalistischen Angelegenheiten, sondern in Sachen Produkt und Marketing. Was das bedeutet, hat Schultz-Homberg ebenfalls erklärt: die strenge Ausrichtung von KSTA.de nach „Business-KPIs“ mit Fokus auf Werbevermarktung wie auch die Einbindung von E-Commerce-Angeboten. Denn:

„Wirtschaftlich sind wir nicht da, wo wir sein müssen.“

Der Medienmanager weiß sich nicht anders zu helfen als das zu wiederholen, was man vor einiger Zeit mit dem publizistisch längst aufgegeben Kölner Express gemacht hat. Auch Express.de wird mittlerweile vom DCC verantwortet und ist vom Boulevardportal zur lokalen Werbebude geworden. Intern feiert man sich für einen nach eigenen Angaben siebenstelligen Gewinn pro Jahr, nur: mit Journalismus hat das alles nicht mehr viel zu tun. Dieser ist höchstens noch ein Mittel zum Zweck, ein Beiwerk des auf Reichweite getrimmten Content, der alles und nichts sein kann.

So oder so ähnlich dürfte auch das Schicksal des Stadt-Anzeigers aussehen. Das lässt der Beschwichtungsversuch von Schultz-Homberg und seinem Management-Team erahnen. Selbstverständlich werde die Arbeit der Reporter, die sich um die kommunale Politik, um die Wirtschafts-, Sport- oder Polizeiberichterstattung kümmern weiterhin gefragt sein, beteuerten die Manager. Man hat sich sogar zur Aussage hinreißen lassen, dass sich für die Reporter nichts ändern werde. Wenn dem so ist, stellt sich die Frage: Weshalb dann diese grundlegenden Veränderungen in der Organisationsstruktur?

Man muss kein Journalist sein, um hier skeptisch zu werden. Wenn der Redaktion die Hoheit über die inhaltlichen Ausspielwege entzogen wird, ist das schlicht ein Paradigmenwechsel – einer, bei dem der journalistische Inhalt in den Hintergrund rückt. Wenn der Chefredakteur – und hier noch ein kommissarisch bestellter – nur noch eine Art Vetorecht hat, sollte der Kommerz „Überhand“ nehmen, ist sein Titel als „publizistisch Verantwortlicher“ nur noch ein Euphemismus. Das Chefredakteursprinzip wird damit abgeschafft. Er und seine Redaktion werden zum Feigenblatt.

Die neue Strategie beim Kölner Stadt-Anzeiger ist keine, die auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell für (Lokal-)Journalismus abzielt. Sie ist eine Verzweiflungstat. Sie ist, wie Journalist und Medienmanager Jan-Eric Peters treffend festgehalten hat, Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Das Schlimmste: Der publizistische Ausverkauf droht hinter verschlossenen Türen stattzufinden. Selbst kommuniziert hat DuMont ihn nicht. Bekannt geworden ist der Paradigmenwechsel, weil mutige Menschen mit (journalistischem) Rückgrat und Berufsethos Medienjournalisten wie uns darauf aufmerksam machen. Erst dann werden schleichend wachsende Missstände transparent.

Wenn in deiner Redaktion also etwas Vergleichbares geschieht, dann zögere nicht, uns zu schreiben. Deine Kontaktaufnahme zu Medieninsider kann auch anonym erfolgen. Jeder Hinweis kann für uns der Beginn einer Recherche sein. Informationen dazu findest du hier.

Auswirken von KI-Tools im Nachrichtenjournalismus

Das Hamburger Brand Science Institute (BSI) hat Befragungsdaten veröffentlicht, die speziell den überregionalen Nachrichtenjournalismus betreffen. Welche Rolle dabei KI-Tools spielen, lesen Sie hier auf editorial.media

Florian Schroeder über Julian Reichelt: „Gefährlich, wenn man ihm nicht widerspricht“

Julian Reichelt und sein Portal Nius stehen regelmäßig in der Kritik. Die Vorwürfe reichen von einseitiger Berichterstattung, über Populismus bis hin zur Hetze. Trotzdem – oder gerade deshalb – hat Satiriker Florian Schroeder getan, was für andere ein Tabu ist: Er war Gast im YouTube-Format des ehemaligen Bild-Chefredakteurs. Im Interview spricht Schroeder über seine Beweggründe, seine Eindrücke vor Ort, wann er Politikern einen Auftritt bei Reichelt empfehlen würde und darüber, ob er Reichelt mit seinem Auftritt nicht eher geholfen als ihn infrage gestellt hat.

Nachdem sich Axel Springer im ersten Jahr nach der abrupten Abberufung der Bild-Chefredaktion sowohl mit Alexandra Würzbach und Claus Strunz geeinigt hat, scheint die Situation zwischen dem Medienkonzern und Johannes Boie festgefahren. Bisherige Verhandlungen über einen Ausstieg sind zu noch keinem Ergebnis gekommen. Was die Gespräche offenbar so schwierig macht.

Unsere Q&As sind digitale Runden, in denen wir dich und weitere Mitglieder gezielt mit Experten und spannenden Menschen aus unserer Branche zusammenbringen.

Du kannst in geschützter Atmosphäre Fragen stellen. Die Q&As werden weder aufgezeichnet noch anderweitig verwertet, um einen vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten.

In den kommenden Wochen begrüßen wir wieder inspirierende Gäste, die sich auf den Austausch mit dir und anderen Medieninsidern freuen!

28. März 2024, 18.30 Uhr: New Work 2.0: Wie bereiten sich Medienhäuser auf die Arbeitswelt der nächsten Generation vor?

Die neue Arbeitswelt ist nicht von langer Dauer. Schon jetzt gilt es, sich auf neue Generationen von Arbeitnehmern mit neuen Bedürfnissen vorzubereiten und das Verhältnis von Unternehmen und Beschäftigten neu zu definieren. Lisa Kristina Meissner, selbst Gründerin und Landessprecherin im Startup-Verband, befasst sich konsequent mit der veränderten Arbeitswelt. Was meint sie, wenn sie über New Work 2.0 spricht? Was kommt in Zukunft auf Unternehmen zu? Diese und weitere Fragen kannst du mit ihr im Q&A besprechen.

10. April 2024, 19.00 Uhr: Von der Tages- zur Wochenzeitung: Wie gelingt die Transformation im Lokalen?

Austausch aus einem historischen Anlass: Am Tag bevor die Hamburger Morgenpost zum letzten Mal als gedruckte Tageszeitung erscheint, begrüßen wir Verleger Arist von Harpe. Er wird berichten, wie sich die Stadt- und Kaufzeitung auf die Umstellung zur Wochenzeitung vorbereitet hat und inwiefern der Schritt auch der digitalen Transformation des Lokalmediums dient.

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News

Kicker und Alpin (beide Olympia-Verlag) werden künftig von BCN vermarktet (mehr erfahren)

Der Spiegel hat seine Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey beendet, berichtet die FAZ (mehr erfahren)

► Ehemalige Springer-Aktionäre klagen auf höhere Bewertung zum Squeeze-out, berichtet Kress (mehr erfahren)

► ProSiebenSat.1-Großaktionär Mediaforeurope (MFE, hält rund 26 Prozent) will auf der Hauptversammlung am 30. April 2024 vorschlagen, den Konzern zweizuteilen und damit das Entertainment-Geschäft eigenständig zu machen (mehr erfahren). Wenige Tage vor der Ankündigung hatte der ProSiebenSat.1-Aufsichtsratsvorsitzende und MFE-Vertraute Andreas Wiele im SZ-Interview gefordert, den Konzern schneller vom Mischkonzern und hin zum TV- und Streamingunternehmen umzubauen (mehr erfahren)

► Bertelsmann meldet für 2023 ein um 25 Prozent gesteigertes Ergebnis von 1,3 Milliarden Euro, der Umsatz sank um 0,4 Prozent auf 20,2 Milliarden Euro – Grund für die Diskrepanz und den hohen Gewinn ist vor allem der Verkauf der Callcenter-Tochter Majorel (mehr erfahren)

► Die französische Wettbewerbsbehörde hat Google zu einer Strafe in Höhe von 250 Millionen Euro für die Nutzung von Nachrichteninhalten für das Training von LLMs verpflichtet (mehr erfahren)

► Gannett, der Konzern hinter der größten US-Tageszeitung USA Today und zahlreicher weiterer Blätter, kündigt die Zulieferung von Inhalten durch AP auf, will Inlandsnachrichten „selbst generieren“ und für Internationales auf Reuters setzen – für die vielbeachteten Wahlverkündungen soll AP aber Partner bleiben (mehr erfahren)

Entdeckungen:

► In einer Spiegel-Recherche enttarnen Maik Baumgärtner, Martin Knobbe, Ann-Katrin Müller, Sven Röbel und Wolf Wiedmann-Schmidt die Geldgeber des rechtsextremen Magazins Compact (mehr erfahren)

Niklas Wirminghaus berichtet bei FinanceFWD über den SZ-Autor Roman Keßler, der vorrangig über die Krypto-Branche schreibt, dort allerdings selbst als Unternehmer und PR-Berater tätig ist (mehr erfahren)

Ulf Poschardt in der Wagenburg

Man kann versuchen, auch mit unangenehmer Kritik konstruktiv umzugehen. Vor allem, wenn sie aus der eigenen Belegschaft kommt. Oder man macht es wie Ulf Poschardt.

Beim so genannten Kieztalk trommelt Axel Springer den Vorstand wie auch zahlreiche Führungskräfte des Konzerns zusammen, um bei den eigenen Mitarbeitern ein bisschen Innovator’s Spirit zu versprühen und über die großen Projekte zu informieren.

Springer-Führungskräfte auf der Tribune des Kieztalks, Foto: Screenshot Axel Springer  

Bei der jüngsten Ausgabe vor einigen Tagen war dafür auch der Chefredakteur der Welt-Gruppe angetreten. Nachdem er sich zunächst aber über zu wenig Redezeit beklagt hatte, nutzte er sie zunächst für etwas anderes. Anlässlich unseres Artikels über die Stimmung unter Bild-Chefin Marion Horn sagte er:

„Jetzt ist Marion heute nicht da. Vergangene Woche hat irgendein Medienjournalist versucht, an ihr rumzukritteln und ich hab diese 900 langweiligen Zeilen gelesen, in denen basically drin stand: Sie ist kein Roboter, sie sagt manchmal ‘verpissen’ – schlimm, schlimm, schlimm – und sie hat sensationelle Zahlen. Also wir freuen uns, tollen Job. Und ich finde auch mal von der anderen Seite: herzlichen Glückwunsch.“

Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt beim Kieztalk von Axel Springer, Foto: Screenshot Axel Springer

Die Ansage sollte wohl so etwas wie eine Motivationsrede für die Kollegen sein. Was sie aber auch war: Ein Zeichen für die klassische Wagenburgmentalität. Die Kernaussage „basically“: Zahlen gut, alles gut.

Dass dabei ganz entscheidende Zahlen alles andere als gutes erahnen lassen, nämlich die Werte zur Mitarbeiterzufriedenheit, hat der Welt-Chef gekonnt ignoriert. Zur Erinnerung: Der kompliziert erhobene eNPS-Wert bei Bild liegt bei alarmierenden -42 (auf einer Skala von -100 bis +100). Nur etwa jeder siebte Mitarbeiter ist bereit, Bild als Arbeitgeber weiterzuempfehlen.

Vielleicht hat Poschardt den Score auch ignoriert, weil er die Werte für seine eigene Marke kennt. Denn auch bei der Welt wurden die Mitarbeiter nach ihrem Gemütszustand gefragt. Der eNPS-Score für die Redaktion: -63. Mit anderen Worten: Während bei Bild die Stimmung im Keller ist, arbeitet sie sich bei der Welt bereits zum Erdkern vor.

Wie gesagt: Man könnte mit Kritik auch konstruktiv umgehen. Es wäre zumindest mal ein neuer Ansatz.

Falls du die „900 langweiligen Zeilen“, die Ulf Poschardt offenbar so sehr beschäftigen, noch nicht gelesen hast: Du findest sie hier.

Serientipp zu Ostern

Die Osterfeiertage stehen an und die ARD-Mediathek hält für Journalisten geeignetes Material zum Binge Watching bereit: Tokyo Vice ist die fiktionale Verfilmung der Biografie des US-Journalisten Jake Adelstein. Die HBO-Serie erzählt, wie er 1999 der erste westliche Reporter bei einer japanischen Zeitung wird und nicht ganz ohne Widerstände und Vorbehalte Fuß in der Kriminalberichterstattung fasst.

Sein Drang nach der großen Story, mit der er sich als Gaijin (Ausländer) beweisen will, führt ihn in die zwielichtige Welt der japanischen Mafia, in der sich Unterorganisationen der Yakuza in einen Bandenkrieg um die Vorherrschaft in Tokio verwickeln. Bei der Recherche gerät er nicht nur zwischen diese Fronten, sondern auch in Interessenskonflikte mit der japanischen Polizei.

Jake Adelstein, der „Gaijin“, versucht sich als erster Amerikaner bei Japans größter Tageszeitung, Foto: HBO

Die Serie behandelt die raue Zeit des Journalismus der späten Neunziger- und frühen Zweitausenderjahre in Japan, in der Ressentiments und veraltete Rollenbilder eine Karriere prägten. Sie spielt aber vor allem mit dem Dilemma, in das Journalisten bei der Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz geraten und zeigt auf, welche Konsequenzen die Suche nach der Wahrheit und der großen Story haben kann.

Der Name der Serie kommt übrigens nicht von irgendwoher. Produzent und Regisseur der Pilotfolge ist Michael Mann, der auch hinter dem Klassiker Miami Vice steht. Reporter Adelstein wird von Ansel Elgort gespielt, der für die Rolle sogar extra japanisch lernte.

Falls du mehr über die Serie erfahren willst: Hier kannst du dir den Trailer ansehen und die acht Folgen der ersten Staffel von Tokyo Vice findest du hier in der ARD-Mediathek – übrigens auch in OV.

Wenn du denkst, dass auch deine Kollegen Medieninsider lesen sollten, dann empfehlen wir unsere Corporate-Angebote. Mehr Informationen dazu findest du hier.

Viele Grüße sendet dir

Marvin

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