Lese-Letter 11/2024

Hart aber fair, Louis Klamroth, Julian Reichelt, Florian Schröder, Handelsblatt, SZ, Axel Springer, Medienfrauen

Hallo !

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:

 

► Hart aber fair muss nach der Neuauflage seine Abrufzahlen in der Mediathek mehr als verdoppeln – Volker Nünning die Zahlen der ersten Folgen (direkt zum Artikel)

► In Führungspositionen sind Medienfrauen Mangelware – Claudia Michalski meint, dass das nicht nur an der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt, sondern an Mechanismen, die Narzissmus bedienen (direkt zum Artikel)

► Es häufen sich die Fälle, in denen Journalisten von ihren eigenen Häusern unter Druck gesetzt werden – das schadet dem Image (am Ende des Newsletters)

► Kabarettist Florian Schröder trägt mit seinem Auftritt bei Julian Reichelt zu dessen Legitimation bei – nutzt ihn aber auch, um dem ehemaligen Bild-Chef dessen Doppelstandards vorzuhalten (am Ende des Newsletters)

► Im Q&A heute Abend erklärt Julius Fintelmann, wie er ein europäisches Journalismus-Start-up aufbaut (jetzt direkt anmelden)

► Informiere dich auch über unsere nächsten Q&As mit Lisa Meissner, Arist von Harpe, Markus Knall und Markus Franz (zur Event-Übersicht)

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Als Louis Klamroth vergangenes Jahr zum ersten Mal bei Hart aber fair auf Sendung ging, wirkte er wie ein Fremdkörper. Da stand der damals 33-Jährige in den Kulissen eines anderen – in denen seines Vorgängers Frank Plasberg, der den Traditionstalk über 20 Jahre lang geprägt hatte.

Es war, als wolle man den Zuschauer nicht überfordern – und als müsse sich Klamroth erst beweisen, bevor sich das Format auf ihn einstellt. Entschlossenheit war etwas anderes, doch die Einsicht kam.

Im Laufe des Sommers 2023 verfestigte sich die Erkenntnis, dass die Konstellation auf Dauer nicht gut gehen kann. In einer internen Studie zur Entwicklung der Talkshows bei ARD und ZDF hielt der ARD-Programmbeirat fest:

 „Louis Klamroth bietet Potenzial für jüngere Zielgruppen, dazu muss er aber sein eigenes Konzept umsetzen können und nicht ein veraltetes Format eines anderen Moderators.“ 

Na sowas.

Auf die Einsicht folgte die Besserung: Nachdem Klamroth ein Jahr lang Gast in seiner eigenen Sendung war, passte sich das Format um ihn herum an. Seit einigen Wochen sendet der Moderator aus neuer Kulisse, mit neuer Auswahl von Gästen und runderneuertem Konzept. Und trotzdem: Bewiesen ist für die ARD noch lange nichts.

Wie mein Kollege Volker Nünning bereits berichtete, ist die Neuauflage von Hart aber fair an ambitionierte Ziele geknüpft. Erreichen Klamroth und seine Produktionsfirma Florida Factual sie nicht, ist noch in diesem Jahr Schluss. Teil der Erwartungen: Hart aber fair soll vor allem in der jungen Zielgruppe zulegen und die Aufrufe in der ARD-Mediathek mehr als verdoppeln.

Gelingen soll das auch, wie man seit diesem Jahr weiß, mit einem zweiten Format. Exklusiv für die ARD-Mediathek rekapituliert Klamroth in Hart aber fair to go seine eigene Sendung. Das an Reaction-Videos angelehnte Format richtet sich klar an die Generation YouTube.

Ob und wie erfolgreich die Neuauflage bislang ist? Auch das hat Volker herausgefunden. Ihm liegen die Zahlen aus der ARD-Mediathek für die ersten vier Ausgaben von Hart aber fair vor. Alle Details bekommst du als Medieninsider hier:

Das ifp-Volo ist eine einmalige Kombi aus Journalistenschule und Redaktionspraxis. Bezahlt nach Tarif, mit Stationen in verschiedenen Medien, multimedialen Seminaren und einem Netzwerk fürs ganze Berufsleben. Los geht‘s im Oktober 2024. #DeinVolo

Die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für viele Frauen noch immer ein Karrierekiller. Für die Medienbranche sieht unsere Kolumnistin noch einen weiteren Grund: ein auf Narzissmus ausgelegtes System. Sie schreibt: „Medienmanager neigen dazu, sich zu verhalten wie ihr Produkt. Hauptsache die Show stimmt, der Rest ist egal.“

Unsere Q&As sind digitale Runden, in denen wir dich und weitere Mitglieder gezielt mit Experten und spannenden Menschen aus unserer Branche zusammenbringen.

Du kannst in geschützter Atmosphäre Fragen stellen. Die Q&As werden weder aufgezeichnet noch anderweitig verwertet, um einen vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten.

In den kommenden Wochen begrüßen wir wieder inspirierende Gäste, die sich auf den Austausch mit dir und anderen Medieninsidern freuen!

13. März 2024, 19.00 Uhr: Wie baut man ein europäisches Journalismus-Start-up?

Julius E. O. Fintelmann interessiert sich seit Langem für die Entwicklung Europas, hat zuletzt in Amsterdam Middle Eastern Studies studiert. Dort gründete er 2022 auch The European Correspondent mit. Die Idee des Start-ups: Korrespondenten aus unterschiedlichen Europäischen Ländern fassen die wichtigsten News aus ihrem Land zusammen, um ein verständlicheres Bild von Europa zu zeichnen. Im Q&A spricht er über die Idee und die Entwicklung des Start-ups.

28. März 2024, 18.30 Uhr: New Work 2.0: Wie bereiten sich Medienhäuser auf die Arbeitswelt der nächsten Generation vor?

Die neue Arbeitswelt ist nicht von langer Dauer. Schon jetzt gilt es, sich auf neue Generationen von Arbeitnehmern mit neuen Bedürfnissen vorzubereiten und das Verhältnis von Unternehmen und Beschäftigten neu zu definieren. Lisa Kristina Meissner, selbst Gründerin und Landessprecherin im Startup-Verband, befasst sich konsequent mit der veränderten Arbeitswelt. Was meint sie, wenn sie über New Work 2. spricht? Was kommt in Zukunft auf Unternehmen zu? Diese und weitere Fragen kannst du mit ihr im Q&A besprechen.

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News

► Bauer macht seine eigene Vermarktung dicht und lagert sie ab 2025 zur Ad Alliance aus – 147 Mitarbeiter sind betroffen (mehr erfahren)

► ProSiebenSat.1 meldet für 2023 mit 3,85 Milliarden Euro einen Umsatz, der rund 7,5 Prozent geringer ausfällt als im Vorjahr – das angepasste operative Ergebnis liegt mit 578 Millionen Euro fast 15 Prozent unter Vorjahresniveau (mehr erfahren)

► Das Landgericht Berlin hat Julian Reichelt zu einem Zwangsgeld von 5000 Euro verurteilt, weil er eine Gegendarstellung zu einem seiner Videos über die Seenotrettungsorganisation Mission Lifeline nicht ausreichend sichtbar platziert hat (mehr erfahren)

► Die Berliner Morgenpost hat einen Leserbeirat gegründet, der die Arbeit der Zeitung in regelmäßigen Abständen bewerten soll (mehr erfahren)

► Die NZZ meldet für 2023 eine Umsatzsteigerung von rund zwei Prozent auf umgerechnet rund 261,6 Millionen Euro, das Ergebnis schrumpfte dagegen um knapp 24 Prozent auf umgerechnet rund 20,7 Millionen Euro – als Grund nennt das Unternehmen vorrangig den Ergebniseinbruch von CH Media (mehr erfahren)

► Ehemalige Redakteure der New York Times kritisieren öffentlich, dass es intern immer weniger Meinungsfreiheit bei der Zeitung gäbe (mehr erfahren)

Entdeckungen:

Sebastian Leber analysiert im Tagesspiegel das Vorgehen der Berliner Zeitung bei einem von Chefredakteur Tomasz Kurianowicz mitgeführten Interview mit Pink-Floyd-Mitgründer und Anti-Israel-Aktivist Roger Waters, bei dem hetzerische Passagen über Israel restlos gestrichen und dem Leser verschwiegen wurden (mehr erfahren)

Lennart Schneider beschreibt im Newsletter Blaupause von Sebastian Esser zwölf häufige Denkfehler bei Strategien hinter Newslettern und gibt Lösungen (mehr erfahren)

Wie Medienmarken ihren eigenen Ruf aufs Spiel setzen

Offenbar läuft in einigen Redaktionen derzeit etwas gehörig schief:

► Nachdem Medieninsider über Probleme in der Redaktionskultur der Süddeutschen berichtete und dafür eine interne Debatte abbildete, durchleuchtete die SZ auf Ansage der Chefredaktion die Kommunikation ihrer Mitarbeiter nach Kontakten mit Medieninsider.

► Auch bei der New York Times läuft eine interne Ermittlung, mit der Quellen von The Intercept ausfindig gemacht werden sollen. Das Portal hatte über interne Querelen in Bezug auf die Gaza-Berichterstattung berichtet. Bei Vanity Fair spricht ein anonymer Mitarbeiter von einer „Art Hexenjagd“.

Gleichzeitig geraten Journalisten innerhalb ihrer eigenen Redaktionen unter Druck, obwohl sie einfach nur ihre Arbeit gemacht haben:

 Business Insider Deutschland (hier auch als Podcast) berichtete jüngst darüber, wie das Handelsblatt seinen Reporter Daniel Delhaes „kaltgestellt“ habe, nachdem Recherchen von ihm über Filzverdacht im Bundesverkehrsministerium in Zweifel gezogen worden waren. Offenbar hat man ihn zur Offenlegung seiner Quellen drängen wollen, dafür soll auch ein Gutachten angelegt worden sein. Delhaes Recherchen wurden später vom Spiegel bekräftigt.

► Bei Business Insider in den USA hingegen leitete Eigentümer Axel Springer auf Druck des Milliardärs Bill Ackman eine Untersuchung ein und brachte damit die eigenen Reporter in Bedrängnis. Ackman hatte Business Insider unter anderem vorgeworfen, dass es bei der Recherche über Plagiatsverdacht bei seiner Frau Nori Oxman antisemitische Motive gegeben habe. Die Untersuchung hat dies nicht bestätigt.

Fazit: So unterschiedlich die Fälle auf inhaltlicher Ebene sein mögen, haben sie eines gemeinsam: Mit einem solchen Vorgehen gegen die eigenen Reihen schaden die Medien vor allem sich selbst, sowohl in ihrem journalistischen Ansehen als auch als Arbeitgebermarke. Die Probleme sind keine internen Lecks oder handwerkliche, sondern Missstände in der Redaktionskultur, Doppelstandards und mangelndes Rückgrat. Dass es sich hierbei um kein rein deutsches Phänomen handelt, darf zu keiner Relativierung führen.

Achtung! Schröder

Julian Reichelt beschreibt sich bekanntermaßen als „der härteste Gegner von Scheinheiligkeit, Propaganda und Heuchelei in der Politik“. Umso erfrischender ist es, wenn ihm seine eigenen Doppelstandards vorgehalten werden – in seiner eigenen Sendung, auf seinem eigenen Kanal.

Anfang März erschien bei Achtung! Reichelt ein gemeinsames Video mit dem Kabarettisten Florian Schröder. Auf der Suche nach PR für sein aktuelles Buch nahm er auch ein Streitgespräch mit dem ehemaligen Bild-Chef mit, der seit vergangenen Jahr versucht, mit Nius eine eigene Medienmarke zu etablieren.

Screenshot: Youtube.com/Florian Schröder

Der eineinhalbstündige Talk ist nur schwer erträglich. Er ist laut, oft viel zu pauschal und polemisch sowieso. Aber auch unterhaltsam – und damit sind die letzten 17 Minuten gemeint. Denn da geht es nicht um die übliche Scheinheiligkeit der „Merkel-linken CDU“, der SPD oder der Grünen. Vielmehr nutzt Schröder den Gastauftritt vor Reichelts Publikum, um den Journalisten mit dessen eigener „Inkonsequenz“ zu konfrontieren. Ein paar Beispiele:

Der Kabarettist weist auf Reichelts Haltung gegen Antisemitismus und für Israel hin und sagt:

„Zugleich sehe ich aber hier Gäste, die auch bei Tucker Carlson auftreten, die von ‘uns manipulierenden Globalisten’ sprechen, was ein antisemitischer Begriff ist, der im rechtsextremen Milieu zuhause ist.“

„Als Sie Chef waren bei Bild sagten Sie, Sie seien gegen die AfD und ließen sie nicht einmal zu Wort kommen. Heute schaffen Sie eine Atmosphäre, in der Sie das Projekt der AfD offensiv verteidigen. Sie wollen die CDU nach rechts rücken, machen aber das Gegenteil – Sie machen die AfD groß.“

„Sie haben sogar zugelassen, dass die rechte MeToo-Kampagne 120 dB hier prominent stattgefunden hat, was eine rechtsextreme Kampagne ist.“

Er weist auf Reichelts Themenauswahl und Rhetorik in seinen Videos hin und fragt:

„Warum machen Sie das Geschäftsmodell der AfD salonfähig?“

„Ich frage mich, weshalb Sie sich nicht dafür schämen – in einer Zeit, in der die AfD bei über 20 Prozent liegt – diesem Denken auch noch Vorschub zu leisten.“

„Haben Sie kein schlechtes Gewissen, wenn der Laden am Ende an die AfD fällt?“

Auch konfrontiert Schöder Reichelt mit seiner heftigen Kritik gegenüber Correctiv und die Vorwürfe, das Medium würde seine staatlichen Fördergelder verschleiern und sagt:

„Sie sind doch auch nicht transparent. Sie werden von einem Milliardär finanziert, nämlich von Frank Gotthardt, sie wollen über das Geschäftsmodell aber nichts sagen.“

Und:

„Sie sagen, Sie sind die ‘Stimme der Mehrheit’ – aber eigentlich sind Sie selbst nicht die Mehrheit, sondern elitär. Sie wurden ein Leben lang von Milliardären finanziert. Der erste hieß Döpfner, der zweite Gotthardt.“

Fazit: Mit Gastauftritten in umstrittenen Medien trägt man immer auch zu ihrer Legitimation bei. Dass mit Schröder jemand auftritt, der aktuell auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht, ist da schon eine besondere Qualität. Die Einladung dazu zu nutzen, den Gastgeber auch mit seiner eigenen Scheinheiligkeit zu konfrontieren, ist wiederum eine kabarettistische Kunst – auch wenn es die Stammklientel wohl kaum interessieren wird.

Den Auftritt von Schröder kann man bei Achtung! Reichelt sehen, man muss es aber nicht. Der Kabarettist hat seine Abrechnung auch auf seinem eigenen YouTube-Kanal hochgeladen. Bis zum Ende zu schauen lohnt sich: Denn da präsentiert Schröder noch ein spezielles Abschiedsgeschenk.

Wenn du denkst, dass auch deine Kollegen Medieninsider lesen sollten, dann empfehlen wir unsere Corporate-Angebote. Mehr Informationen dazu findest du hier.

Viele Grüße sendet dir

Marvin

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