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Lese-Letter 09/2024
Tagesthemen-Kommentare, Julian Reichelt, Gabor Steingart, Correctiv, künstliche Intelligenz
Hallo !
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Die Zahl der Meinungsbeiträge in den Tagesthemen nimmt ab – und das ist kein Zufall, wie mein Kollege Volker Nünning recherchiert hat (direkt zum Artikel)
► In der Debatte um KI im Journalismus trifft Euphorie auf Untergangsstimmung – Alexandra Borchardt weist in ihrer Kolumne auf Fragen hin, die dazwischen nicht untergehen dürfen (direkt zum Artikel)
► Investigative Recherchen wie zuletzt von Correctiv entstehen auch unter Einsatz unlauterer Methoden – unser neuer Kolumnist Alexander Rackow erklärt, worauf Journalisten beim Rechtsbruch achten sollten (direkt zum Artikel)
► Julian Reichelt wurde beim CAPC, dem Klassentreffen der Konservativen in den USA, erwartet – kam dann aber nicht (Text am Ende des Newsletters)
► Steingarts Media Pioneer bekommt einen neuen Managing Director – das Interessante an dem Neuzugang ist der damit einhergehende Abgang (Text am Ende des Newsletters)
► Du fragst dich, wie du dein Marketing automatisieren kannst, ohne ein aufwendiges CRM-System aufzubauen? Iris Schürmann und Hendrik Schmalz zeigen morgen um 17 Uhr im Q&A (präsentiert von opensubs) Wege auf (direkt zur Anmeldung)
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Das mit der Meinung in den öffentlich-rechtlichen Medien ist immer so eine Sache. Selbstverständlich dürfen auch die Journalisten des gemeinschaftlich finanzierten Rundfunks Kommentare sprechen. Und trotzdem beißt sich diese journalistische Disziplin immer auch mit dem intern wie extern erwarteten Objektivitätsanspruch der Öffentlich-Rechtlichen.
Nirgends wird der schwerfällige Umgang so deutlich wie in den Tagesthemen.
Der Kommentar ist eine Besonderheit im Nachrichtenprogramm der ARD und hat beim Nachrichtenmagazin seit Jahrzehnten seinen festen Platz – anders als beim ZDF, wo die Darstellungsform deutlich seltener zum Einsatz kommt und in der Regel der Chefredaktion vorbehalten ist. Das Problem mit der Meinung: Sie polarisiert. Und so richtig wohl fühlt man sich bei der ARD damit womöglich nicht (mehr).
► 2020 nannten die Tagesthemen das Format von „Kommentar“ in „Meinung“ um. Tagesthemen-Chef Helge Fuhst erklärte damals, man wolle „den Zuschauern und Usern transparenter machen, dass es sich um die Meinung einer einzelnen Person handelt, nicht die der ganzen Redaktion“.
► 2021 wurde die Rubrik erweitert: Aus einer Meinung wurden bei Gelegenheit zwei. Mit „Pro und Contra“-Kommentaren wollte man das „Meinungsspektrum der Nachrichtensendung verbreitern“, so Fuhst.
Bis dahin nahm die Anzahl der Kommentare in den Tagesthemen in der Tendenz zu. 2021 erreichte das Format mit 265 Meinungsbeiträgen sogar seinen Höchststand, 2022 waren es kaum weniger. Im vergangenen Jahr jedoch strahlten die Tagesthemen rund ein Fünftel weniger Kommentare aus als zuvor – und das ist kein Zufall, wie mein Kollege Volker Nünning recherchiert hat. Beim Kommentar in den Tagesthemen gibt es wieder Veränderungen:
In der Diskussion rund um künstliche Intelligenz im Journalismus trifft Euphorie auf Untergangsstimmung. Dazwischen liegen drängende Fragen, die aber unangetastet bleiben. In ihrer Kolumne nähert sich Alexandra Borchardt ihnen an.
Bei den Recherchen von Correctiv zu einem „Geheimtreffen“ rechter Vordenker in Potsdam kamen offenbar unlautere Methoden zum Einsatz. Alexander Rackow erklärt in seiner neuen Rechtskolumne, was Journalisten bei Rechtsbruch beachten müssen.
Unsere Q&As sind digitale Runden, in denen wir dich und weitere Mitglieder gezielt mit Experten und spannenden Menschen aus unserer Branche zusammenbringen.
Du kannst in geschützter Atmosphäre Fragen stellen. Die Q&As werden weder aufgezeichnet noch anderweitig verwertet, um einen vertrauensvollen Austausch zu gewährleisten.
In den kommenden Wochen begrüßen wir wieder inspirierende Gäste, die sich auf den Austausch mit dir und anderen Medieninsidern freuen!
29. Februar 2024, 17.00 Uhr: Geht Marketing Automation auch ohne CRM? – präsentiert von opensubs
Für CRM-Systeme kann man sehr viel Geld ausgeben. Aber das muss man erstmal haben. Kann man seine Kunden nicht auch einfacher und automatisiert ansprechen? Hendrik Schmalz und Iris Schümann zeigen euch einen innovativen Lösungsansatz, wie man vorhandene Kundendaten aus dem ERP-System für Marketing Automation nutzen kann.
13. März 2024, 19.00 Uhr: Wie baut man ein europäisches Journalismus-Start-up?
Julius E. O. Fintelmann interessiert sich seit Langem für die Entwicklung Europas, hat zuletzt in Amsterdam Middle Eastern Studies studiert. Dort gründete er 2022 auch The European Correspondent mit. Die Idee des Start-ups: Korrespondenten aus unterschiedlichen Europäischen Ländern fassen die wichtigsten News aus ihrem Land zusammen, um ein verständlicheres Bild von Europa zu zeichnen. Im Q&A spricht er über die Idee und die Entwicklung des Start-ups.
28. März 2024, 18.30 Uhr: New Work 2.0: Wie bereiten sich Medienhäuser auf die Arbeitswelt der nächsten Generation vor?
Die neue Arbeitswelt ist nicht von langer Dauer. Schon jetzt gilt es, sich auf neue Generationen von Arbeitnehmern mit neuen Bedürfnissen vorzubereiten und das Verhältnis von Unternehmen und Beschäftigten neu zu definieren. Lisa Kristina Meissner, selbst Gründerin und Landessprecherin im Startup-Verband, befasst sich konsequent mit der veränderten Arbeitswelt. Was meint sie, wenn sie über New Work 2. spricht? Was kommt in Zukunft auf Unternehmen zu? Diese und weitere Fragen kannst du mit ihr im Q&A besprechen.
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News
► RTL Deutschland und ProSiebenSat.1 verknüpfen ihre Ad-Tech-Bereiche miteinander, um Werbekunden das Buchen über Sendergrenzen hinweg zu erleichtern (mehr erfahren)
► Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) spricht sich mit Blick auf die Beitragsperiode ab 2025 für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 58 Cent auf monatlich 18,94 Euro aus, bemängelt dabei gleichzeitig mangelnde Kosteneffizienz – auch lehnt sie von der ARD geforderte Zusatzmittel für die „digitale Erneuerung“ ab (mehr erfahren)
► Der türkische Medienkonzern Acun Medya übernimmt Sport1, berichtet Clap (mehr erfahren)
► Vice stellt laut Wall Street Journal auch in den USA seine Plattform ein, um sich auf bisherige Nebengeschäfte zu konzentrieren - Hunderte Mitarbeiter sollen entlassen werden (mehr erfahren). Kürzlich wurde bekannt, dass Vice seinen Betrieb in Deutschland komplett einstellt (Medieninsider berichtete)
► Die Financial Times hat einen neuen Venture-Arm gegründet, mit dem sie in Medien- und Technologieunternehmen investieren will, berichtet Axios (mehr erfahren)
Entdeckungen:
► Mark Böschen beschreibt im Spiegel, wie Verlegerin Yvonne Bauer ihr Vermögen vom Rest der Familie abkapselt (mehr erfahren)
► Richard Fletcher trägt beim Reuters Institute zusammen, wie viele Nachrichtenportale die Webcrawler von KI-Tools blockieren – so verbietet fast die Hälfte OpenAI den Zugang, bei Google sind es dagegen nur ein Viertel (mehr erfahren)
► Alphabet-Chef Sundar Pichai fordert im SZ-Interview mit Ulrich Schäfer die Festlegung auf globale Regeln für KI (mehr erfahren)
► Gisele Navarro und Danny Ashton beschreiben bei HouseFresh, wie manche Nachrichtenseiten mit Produkt-Rankings gute Positionen bei Google erreichen, dabei aber an inhaltlicher Qualität sparen (mehr erfahren)
Reichelt und das Klassentreffen der US-Konservativen
Vergangene Woche fand in den USA die Conservative Political Action Conference (CPAC) statt, bei der sich die Konservativen in diesem Jahr für die anstehenden Präsidentschaftswahlen warmgelaufen haben. Das Treffen drehte sich natürlich um: Donald Trump. Der dominierte die Agenda so sehr, dass die Beobachter von CNN die CPAC kurzerhand in TPAC umtauften. Der Event würde uns in diesem Newsletter normalerweise nicht weiter kümmern – wäre da nicht Julian Reichelt.
Der ehemalige Bild-Chefredakteur, der nun regelmäßig mit seinem Portal Nius von sich Reden macht, war beim Konservativen-Treffen nämlich erwartet worden – nicht als Beobachter, sondern als Gast auf der Bühne. Laut Medienberichten war er für eine Diskussion mit dem Republikaner Richard Grenell angekündigt. Grenell war unter US-Präsident Trump Botschafter in Berlin, nun wird ihm nachgesagt, sich für den Posten des Außenministers in Stellung zu bringen. Der Titel des Podiums lautete entsprechend: Make Diplomacy great again.
Screenshot des CPAC-Programms vom 20. Februar 2024
Doch Reichelt kam nicht.
Korrespondenten vor Ort bestätigen, dass Reichelt bis zum Vorabend im offiziellen Programm angekündigt war, am Donnerstag aber ersetzt wurde. Gegenüber Medieninsider teilte Reichelt lediglich mit, nicht am CPAC teilgenommen zu haben. Nachfragen zu den ursprünglichen Plänen beantwortete er nicht.
Screenshot des CPAC-Programms vom 22. Februar 2024
Es ist nicht einmal ein Jahr her, dass sich Reichelt sich lauthals über Journalisten empörte, die sich mit Politikern auf deren eigene Bühnen stellen. Möglicherweise ist ihm das noch rechtzeitig eingefallen – möglicherweise kam aber auch einfach etwas anderes dazwischen.
Gabor Steingarts Mitarbeiter #0001
Anfang dieser Woche wurde bekannt, dass Steingarts Media Pioneer mit Maximilian Klopsch einen neuen Managing Director bekommt. In dieser Rolle soll sich der bisherige Geschäftsführer des Vermarkters Seven.One Media offenbar um das B2B-Geschäft kümmern – allen voran um die Auslastung der Steingart-Schiffe Pioneer One und Pioneer Two, das im Laufe des Jahres vom Stapel gelassen werden soll. So war es bei Turi2 zu lesen, wo die Brisanz hinter der Nachricht eher beiläufig Erwähnung fand.
Diese liegt weniger im Neuzugang als im damit verbundenen Abgang. Klopsch wird auf Michael Iseghohi folgen, der sich ums Business Development gekümmert hat.
Iseghohi ist nicht irgendein Mitarbeiter. Auf der Teamseite von Media Pioneer führt er die „Personalnummer #0001“. Er wird nicht nur als Mitglied der Geschäftsleitung genannt, sondern auch als Mitgründer bezeichnet. Das steht dort auch deshalb, weil Iseghohi schon an Steingarts Seite ruderte, als das Medienschiff Pioneer One nicht mehr war als eine Gedankenskizze. Er schrieb an Steingarts Morning Briefing mit, als es dafür weder Team noch Raum gab. Das war unmittelbar nach dem Rauswurf Steingarts bei der Handelsblatt Media Group, wo Iseghohi bereits die rechte Hand des damaligen Herausgebers und CEOs war. Man kann sagen: Wenn es rund um Captain Steingart stürmt, stützt Iseghohi den Fahnenmast – bislang.
Auch wenn er dem Unternehmen als Freiberufler verbunden bleiben will: Mit Iseghohi verlässt einer der engsten und loyalsten Weggefährten Steingarts Media Pioneer. Wenn so jemand geht, ist es kein Verrat, sondern eher ein Warnsignal.
Wenn du denkst, dass auch deine Kollegen Medieninsider lesen sollten, dann empfehlen sich unsere Corporate-Angebote. Mehr Informationen dazu findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin
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