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Dein Lese-Letter zur Wochenmitte
Kalenderwoche 10/2025
Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Eklat im Weißen Haus sorgt für zum Eklat bei Springer: Warum Verleger und CEO Mathias Döpfner vielleicht hätte schweigen sollen (Editorial)
► Wieder Personalwechsel bei Springers „Premium-Gruppe“: CEO Peter Würtenberger ist raus, bevor es richtig losgeht – wer jetzt übernimmt (direkt zum Artikel)
► Im Zeichen der Bundestagswahl: Politik war im Februar auch bei TikTok gefragt – Simon Pycha hat die Formate und Strategien der Publisher analysiert (direkt zum Artikel)
► Wieder ein Hackerangriff: Der Pressespiegel-Dienstleister Argus liegt lahm – auch Kundendaten sind betroffen (direkt zum Artikel)
► Vom Model zur Kriegsfotografin: Die Story von Lee Miller wurde verfilmt – und ist vor allem für Medienschaffende sehenswert (am Ende des Newsletters)
Mathias Döpfner hat mit seinem Verhalten die Sicherheit der Welt aufs Spiel gesetzt
Ein Eklat im Weißen Haus wird zum Eklat bei Axel Springer. Nachdem am vergangenen Freitag das Treffen zwischen dem US-Präsidenten Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj eskalierte, erschien bei Welt in bemerkenswerter Geschwindigkeit ein erster Kommentar. Die Überschrift des Texts von Washington-Korrespondentin Stefanie Bolzen:
Selenskyj hat mit seinem Verhalten die Sicherheit Europas aufs Spiel gesetzt
Zusatz im Teaser des Artikels:
Selenskyj hätte schweigen müssen!
Es ist war ein Kommentar, wie man ihn bei Welt und Axel Springer eigentlich feiern müsste: abweichend von der allgemein vorherrschenden Meinung, der ukrainische Präsident sei vorgeführt worden. Eben „contrarian“, wie man bei Springer zu sagen pflegt. Und dann aber doch wieder auf Linie dessen, was in den vergangenen Wochen und Monaten sonst so seitens Springer zu hören und zu lesen war: Verständnis und Unterstützung für Trump und das aggressive Vorgehen seiner Administration. Trotzdem stand Bolzen mit ihrer Meinung ziemlich alleine in der Welt. Mehr noch: Sie erfuhr für ihren Kommentar heftigen Gegenwind – von keinem geringeren als ihrem Verleger Mathias Döpfner.
Auch er veröffentlichte tags darauf einen Kommentar. Zeile:
Trump und die Zukunft Europas – Unsere Weltordnung wankt
Überraschend: Der Kommentar war Döpfners persönliche Kehrtwende. Plötzlich ist da keine Begeisterung mehr für Trump und Konsorten, kein diplomatisches Geplänkel mehr von „Missverständnissen“ gegenüber den Amerikanern. Vielmehr wirft Döpfner der US-Regierung nun vor, „im Stundentakt“ „rote Linien“ zu überschreiten. Und er schreibt:
Dass Selenskyj sich höchst ungeschickt benommen hat, tut dabei fast nichts zur Sache.
Man kann Döpfners neuen Kommentar als Form der Selbstkritik verstehen („Viele Transatlantiker – auch ich – wollten in den letzten Wochen immer noch hoffen, dass hinter provozierenden Reden und Posts doch irgendwie ein konstruktives Konzept steht.“). Man kann ihn auch als einfache Replik auf den Kommentar seiner Washington-Korrespondentin verstehen, ganz im Sinne des stetig propagierten Meinungspluralismus, für den man sich bei der Welt zu feiern versucht. Oder man versteht ihn als Abkehr des CEOs eines Unternehmens auf Wachstumskurs in den USA, dessen Strategie des Umgarnens und Anbiederns gescheitert ist, wie Trumps jüngste Attacke gegen Politico gezeigt hat. Und so kann Döpfners Text auch als weiterer Beleg für einen Schlingerkurs gesehen werden, der intern wie extern kaum nachvollziehbar ist.
Döpfners Kehrtwende allein wäre bemerkenswert, aber nicht wirklich problematisch. Anders als das, was rund herum um den Kommentar geschehen ist:
► Der Artikel der Washington-Korrespondentin erschien zwar online, gedruckt wurde er hingegen nicht. Der Kommentar von Döpfner hingegen wurde prominent auf der Titelseite der Welt am Sonntag platziert. Anders als Bolzens Text ist er ohne Paywall verfügbar.
► Zudem wurde Bolzens Beitrag geändert. Die Überschrift wurde umformuliert („Ein Schock für die Ukraine“), aus dem Teaser verschwand der Satz „Selenskyj hätte schweigen müssen“. Das sind keine Kleinigkeiten.
► Herausgeber Ulf Poschardt, der – möchte man meinen – zum Inner Circle des Springer-Verlages gehört, hat den Artikel am Freitagabend zunächst getwittert. Später – Überraschung – den Beitrag wieder gelöscht.
Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, dem Kommentar von Bolzen etwas entgegenzusetzen und dem Eigenanspruch als Debattenmedium gerecht zu werden. Ob Springer-Reporter Paul Ronzheimer, Welt-Politik- und Vize-Chefredakteur Robin Alexander, Chefmoderatorin Tatjana Ohm oder Ex-Welt-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld (jetzt bei der Springer-Beteiligung Media Pioneer): Gegenmeinungen und Distanzierungen gab es genug. Stattdessen wirkt das Vorgehen wie ein publizistischer Gegenschlag von ganz oben, um einen unliebsamen Kommentar in den Hintergrund zu rücken. So wird das auch in Teilen der Redaktion gesehen – womit wir bei einem weiteren Problem sind.
Döpfners Kommentare werden in den eigenen Reihen nicht als Beitrag zum Binnenpluralismus verstanden, sondern als Richtungsvorgabe des Verlegers. Der Umgang mit Bolzens Text verstärkt diesen Eindruck, auch weil es aus Springer-Kreisen heißt, Döpfner habe sich über den Kommentar maßlos geärgert und schließlich selbst zur Tastatur gegriffen (obwohl bereits ein anderer Beitrag von ihm geplant und in der Samstagsausgabe der WamS erschienen war). Ob sein Stück eine direkte Reaktion auf den ersten Kommentar war und wie es eigentlich zu den Änderungen am Bolzen-Text gekommen ist? Das will Springer nicht verraten. Eine Anfrage dazu ließ man versanden.
Döpfners Dilemma: Seine Beiträge sind nicht immer die eines unabhängigen Journalisten, sondern auch die des Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Konzerns – was als Erklärung für seinen bisherigen publizistischen US-Kurs herangezogen wird. Und so wirken seine Beiträge auch nicht mehr als seien sie aus einer Haltung heraus geschrieben, sondern aus Opportunismus.
Eine gewisse Unberechenbarkeit eines Autoren muss nichts Schlechtes sein. Im hierarchisch geprägten Konstrukt von Axel Springer macht Döpfner damit aber vor allem eines: Er gefährdet mit seinem erratischen Verhalten die Sicherheit seiner Redaktion – und zwar ihre Selbstsicherheit.
Spiegel-Kultur-Vize Anton Rainer hat die jüngsten Kapriolen des Springer-Chefs in einem fundierten Kommentar aufgespießt und schreibt:
Döpfner ist mit Sicherheit nicht vergesslich – aber er vertraut auf die Vergesslichkeit seiner Branche.
Für Springers eigene Journalisten gilt das nicht. Sie rätseln regelmäßig aufs Neue, wofür ihr Verleger wohl so steht – und nun auch, was passiert, wenn man inhaltlich abweicht. Vielleicht hätte Döpfner schweigen müssen.
Um Sicherheit geht es innerhalb des Axel-Springer-Konzerns und der Welt auch an anderer Stelle – beim Aufbau der so genannten Premium-Gruppe. Seit Monaten warten Mitarbeiter auf klare Signale, wie das Zusammenwachsen von Welt, Business Insider und Politico Deutschland funktionieren soll und auf Details zum damit verbundenen Abfindungsprogramm. Doch bevor es richtig losgeht, bröckelt das Management:


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Filmtipp: Die Fotografin (Lee)
Als Fotomodell bei der Vogue zu landen, klingt erst einmal nicht außergewöhnlich. Als Fotomodell hinter der Kamera bei Vogue zu landen, passiert schon seltener. Und als Fotomodell hinter der Kamera als Kriegsfotografin bei Vogue zu landen, ist nur einmal vorgekommen – als Lee Miller in den 1930er Jahren nach London kam.
Nach einem Bohème-Leben in Frankreich wird Miller eine der wenigen und zugleich bekanntesten Fotojournalistinnen im zweiten Weltkrieg. Der Film Die Fotografin mit Kate Winslet in der Hauptrolle erzählt ihre Geschichte – wie sie in London bei ihrer Arbeit behindert wird, weil sie eine Frau ist. Wie sie in Frankreich den ersten Kriegseinsatz von Napalm festhält. Wie sie in Adolf Hitlers Wohnung in München kommt und sich dort in der Badewanne fotografieren lässt. Und wie ihre Fotografien aus den Konzentrationslagern, die sie zuvor besichtigte, der Zensur unterlagen.

In Hitlers Badewanne: Kate Winslet (Lee Miller) ©Sky UK Ltd
Es geht in dem Film um den Krieg, aber auch um posttraumatische Belastungsstörung und Alkoholismus – um Themen, die in der Kriegsberichterstattung nach wie vor aktuell und zugleich ein Tabuthema sind. Und es geht um Feminismus, lange bevor der Begriff in alle Munde kam. Das macht den Film nicht nur, aber besonders sehenswert für Medienschaffende und damit zu unserem jüngsten Filmtipp, den wir in unserem Newsletter Medienmovies teilen.
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Viele Grüße
Marvin