Dein Lese-Letter zur Wochenmitte

Kalenderwoche 9/2025

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:

Ein Provokateur auf Erfolgskurs: Gabor Steingart wollte sich nie von Werbekunden kaufen lassen, sehr wohl aber von sehr vermögenden „Lesern” – welche bekannten Firmen und einflussreiche Personen in Media Pioneer investiert haben (direkt zum Artikel).

Premium-Krise: Axel Springers neue Gruppe verkündet intern Details zum geplanten Stellenabbau, berichtet Marvin Schade (direkt zum Artikel). Außerdem tauscht sie Teile des Führungspersonals schon wieder aus (direkt zum Artikel).

Unternehmensführung à la Trump? Top-down-Strukturen leben auch in Medienunternehmen wieder auf. Was das bedeutet, erläutert Claudia Michalski in ihrer Kolumne (direkt zum Artikel).

Mit einem Kniff zu mehr Digitalabos: Die Rheinische Post legt um 75 Prozent zu. Über die Erkenntnisse der Paid-Content-IVW-Analyse berichtet Kevin Dusch (direkt zum Artikel).

Weinen mit Alice Weidel: Der öffentlich-rechtliche Jugendsender 1Live macht viel Content, aber keinen Politikjournalismus (am Ende des Newsletters)

Ein Provokateur auf Erfolgskurs

Er will anders sein, „den publizistischen Mainstream herausfordern”, einen angeblichen „journalistischen Absolutismus beenden”: Gabor Steingart nutzt gezielte Provokationen, um sich und sein Unternehmen von Mitbewerbern in der Medienbranche abzugrenzen. 

Er selbst mag sich als Pionier sehen, viele Journalisten hingegen nehmen ihn als eine Art enfant terrible wahr, das Kollegen vor den Kopf stößt. Übermedien bezeichnete ihn unter anderem als „größten Heißluftgenerator seiner Zeit”. Als Steingart im Dezember für ein 5000 Euro teures Abo auf Lebenszeit warb und nebenbei anlasslos gegen den Wächterpreis schoss (Steingart: „Erzieherpreis der Tagespresse”) fand Daniel Drepper, Chef des NDR/WDR/SZ-Rechercheverbunds, auf LinkedIn gar, dass der Pioneer-Herausgeber dem Journalismus und der Demokratie „mit seinem krampfhaften Marketing” schade (wir berichteten).

Immer wieder hinterfragten Medienjournalisten, ob Steingart und Media Pioneer ihr hehres Versprechen vom unabhängigen und gänzlich werbefreien Journalismus aufrechterhalten können. Schon früh berichtete die Zeit über Sponsoring-Deals mit den Unternehmen RWE und König Pilsener, die das Redaktionsschiff mit Treibstoffen wie Strom und Duisburger Gebräu beliefern. Erst im vergangenen Jahr widmete der Spiegel dem Unternehmen ein mehrseitiges Stück und arbeitete sich äußerst kritisch an den Charterfahrten der Pioneer-Schiffe ab. Media Pioneer lehne zwar Werbung ab, aber diene sich „Unternehmen an, die das Redaktionsschiff mieten“, schrieb ein sechsköpfiges Autorenteam des Nachrichtenmagazins. 

Schiffscharter, Firmen-Sponsoring, ein großer Eventkalender, Podcastproduktionen, hochpreisige Abos mit dem Versprechen auf eine lebenslange Mitgliedschaft: Tatsächlich hat Media Pioneer in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich vorgemacht, welch vielfältige Finanzierungsmodelle ein journalistisches Start-up ausschöpfen kann. Obwohl diese Erlösmodelle selbstverständlich nicht weniger Gefahren für Abhängigkeiten bergen als das klassische Anzeigengeschäft, das Steingart verteufelt.

Medieninsider vorliegende Unterlagen zeigen, wie massiv Media Pioneer eigenen Gutachten zufolge innerhalb kürzester Zeit seinen Wert gesteigert hat: auf eine hohe zweistellige Millionensumme. Und sie geben erstmals detaillierten Aufschluss über ein weiteres Modell: das der so genannten „Leseraktien”. Vermögende Unterstützer konnten 2020 und 2022 für mindestens 100.000 Euro Anteile an Steingarts Unternehmen erwerben.

Für Medieninsider habe ich in dieser Woche die Dokumente dazu ausgewertet. Unter den Kapitalgebern sind viele bekannte und einflussreiche Persönlichkeiten: von einem Mitglied der womöglich reichsten Familie Deutschlands bis hin zu einem Spielwarenunternehmen, das einst ein Volkseigener Betrieb der DDR war. 

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Alle Veranstaltungen findest du auf medieninsider.com/events

Apple lernt von der New York Times und kündigt den neuen Dienst Apple News+ Food an (mehr erfahren).

Google ohne News: Französische Presseverleger verkünden einen gerichtlichen Erfolg gegen das „Experiment“ des Konzerns, einem Teil der Nutzer keinen Publisher-Content mehr anzuzeigen (mehr erfahren).

► „Döpfner relativiert. Döpfner wiegelt ab. Döpfner bettelt um Gnade. Weinerlich.“ Horizont-Herausgeber Uwe Vorkötter kritisiert den Springer-Chef für sein FT-Interview zur Rede von J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Publizist Franz Sommerfeld erkennt eine „Unterwerfung“.

► Mehr als jeder zehnte Arbeitsplatz: ProSiebenSat.1 plant laut Manager Magazin, bis zu 500 Stellen zu streichen (mehr erfahren).

► Grok, die künstliche Intelligenz von X, soll Quellen blockiert haben, die Elon Musk die Verbreitung von Fake News unterstellt haben (mehr erfahren).

► Laut PressGazette hat sich der Traffic via ChatGPT bei einigen Publishern in den vergangenen Wochen verachtfacht, bleibt damit aber trotzdem noch zu vernachlässigen (mehr erfahren).

► Eine Gruppe amerikanischer Auslandsjournalisten launcht eine neue Newsplattform, die sich an den Funktionsweisen von TikTok orientiert (mehr erfahren). 

► Filmtipp: Die Fotografin erzählt die Geschichte der Kriegskorrespondentin und Vogue-Fotografin Lee Miller (mehr erfahren)

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Weinen mit Weidel

Im Instagram-Format Fragenhagel lässt 1Live Prominente kurze, oft lustige Fragen beantworten. In der Vergangenheit erfuhren Follower so: Der Schauspieler und Influencer Tom Böttcher findet, dass Mettigel („What the fuck?”) ein Lebensmittel sind, das verboten gehört. Sängerin LOI hat schon mal geklaut – „aus dem Hotelzimmer”. Und Kaya Yanar bekam 2015 und 2025 die gleichen Fragen gestellt, unter anderem diese: Was ist der lustigste Name für einen Penis? Die Antworten: Anakonda (2015) und Schniedelwutz (2025)

Unterhaltsamer Insta-Content für die junge Zielgruppe des Senders soll es sein. 

Ende vergangener Woche sorgte ein Fragenhagel-Video allerdings für Unmut in der Followerschaft. Zu sehen ist die AfD-Politikerin Alice Weidel. Das Gespräch lief so:

Bei welchem Film haben Sie zuletzt geweint? – Ich weine eigentlich bei fast jedem Film. Ich bin ein Weiner. 

Anzug oder Jogger?  Anzug.

Welches Tier passt am besten zu Ihrer politischen Haltung?  Ein Hund.

Beenden Sie den Satz: Junge Menschen sollten mich wählen, weil… – ich Ihre Zukunft sichern möchte. 

Lieber hohes Trinkgeld oder höheren Mindestlohn? – Ich gebe immer hohes Trinkgeld.

Trump oder Putin? – Beide.

Ihr Wahlprogramm in drei Wörtern? Sicher. Sehr gut. Und vor allen Dingen deutlich mehr Wohlstand für alle.

Kurzum: Viel Platz für eine gefühlige Selbstdarstellung, keine kritische Nachfrage. Viele Nutzer übten massive Kritik, darunter auch einige Journalisten. Der Sender selbst rechtfertigte sich in den Kommentaren: „Wir haben allen Spitzenkandidat:innen, die für den Fragenhagel zu Gast waren, gleichwertige Fragen gestellt, die unserem klassischen Fragenhagelkonzept entsprechen. Dabei wurde darauf geachtet, dass jede:r Befragte fair und gleich behandelt wird.”

Aber ist dieses launige Fragebogenformat, das sich bestens für Pimmelwitze und Geplänkel eignet, überhaupt sinnvoll für ein Politiker-Interview vor einer Bundestagswahl? Ist es wirklich wichtig, ob Robert Habeck Cornflakes mit Milch oder Wasser isst? Ob Biologe Jan van Aken ad hoc gut erklären kann, dass Schnecken keine Zähne haben? Ob Christian Lindner Malle oder Sylt bevorzugt? Und ob Sahra Wagenknecht die Sitze im Bundestag gemütlich findet

Womöglich sollte man sich nicht nur überlegen, WEN man fragt, sondern auch WAS man fragt – und wie oft man auch mal NACHFRAGEN sollte, damit man – gerade als öffentlich-rechtliches Medium mit entsprechendem Programmauftrag – nicht nur spaßigen Content sondern (Politik-)Journalismus macht. 

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Anna