- Medieninsider
- Posts
- Dein Lese-Letter zur Wochenmitte
Dein Lese-Letter zur Wochenmitte
Kalenderwoche 7/2025
Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche unter anderem im Lese-Letter erwartet:
► Bürger, die Reporter spielen? In den Nullerjahren ist Graswurzeljournalismus der neue Trend, um Anzeigenblätter aufzupeppen (Editorial). Aber was passiert, wenn dabei etwas schiefgeht? Ein laufender Rechtsstreit zeigt: Es kann für alle Beteiligten viel unangenehmer werden als gedacht (direkt zum Artikel).
► Der Spiegel muss sich für einen Leserbrief entschuldigen. Der Vorgang legt erneut das Problem mit der Qualitätskontrolle offen, schreibt Marvin Schade (direkt zum Artikel).
► Verschwörungserzählungen über Politico: Etliche Medien ordnen Donald Trumps Vorgehen ein. Die Berliner Zeitung bedient lieber den Spin der US-Regierung. Dabei soll die Recherche dort sogar Chefsache gewesen sein (direkt zum Artikel).
► Der Vertriebschef verlässt die FAZ: Stefan Buhr wird Medienmanager in der Hauptstadt (direkt zum Artikel).
► Kann KI auch Komik? Bild lässt Mittelalter-Namen generieren und die Titanic setzt auf einen Merz-Bot (am Ende des Newsletters).
► Neue Workshops: Lerne mehr übers Podcasten in einem dreiteiligen Block-Seminar von Daniel Fiene und über Mobile Reporting von Martin Heller (zu den Events)
Graswurzelbehandlung
Zwischen bayerischen Kuhwiesen und Dorfkirchen entstand in den Nullerjahren das, was manche für die Zukunft der deutschen Medienbranche hielten: myHeimat.de, ein Portal, auf dem jedermann Texte, Fotos und später sogar Videos veröffentlichen durfte. Eine Plattform für Graswurzeljournalismus. Vom Kirchenchorleiter, über den Wochenmarktbesucher bis zum Dorffestorganisator sollte jeder die für ihn spannenden Neuigkeiten und Entdeckungen aus seiner Region beitragen können.
Das Besondere am Konzept: Die besten Beiträge aus myHeimat wurden in Magazinen nachgedruckt. Das Unternehmen hinter der Plattform, eine Augsburger Firma namens Gogol Medien, verdiente nicht schlecht daran, die Anzeigen rund um diesen kostenlosen User-Content zu vermarkten. In der Waybackmachine kann man sich heute noch ansehen, wie das damals aussah:
Die Plattform myHeimat wurde schließlich so groß und das Unternehmen hinter ihr so erfolgreich, dass sogar Madsack ab 2008 vorübergehend mit einstieg. Das Konzept, Anzeigenblätter mit Online-Communitys zu kombinieren und auf kostenlose Inhalte von Nutzern zugreifen zu können, war einige Jahre lang ein derart großer Trend, dass etliche weitere Verlage aufspringen wollten. Aus Gogol Medien wurde die Peiq Publishing GmbH & Co. KG, die mittlerweile anderen Verlagen die nötige Infrastruktur verkauft: Sie entwickelt nicht nur Redaktionssoftware für Anzeigenblätter, sondern hält auch zugehörige Plattformangebote bereit. Neben MyHeimat sprossen bundesweit neue Portale für „Bürgerreporter“ aus dem Boden. Sie tragen Namen wie BerlinerWoche.de (Funke Mediengruppe), RheinischeAnzeigenblaetter.de (DuMont) oder wochenblatt-reporter.de (Rheinpfalz Mediengruppe).
Kritik gab es aber schon in den Anfängen: Der Journalistik-Professor Klaus Maier etwa warnte 2009 im Gespräch mit dem Medium Magazin: „Verleger und Chefredakteure könnten auf die Idee kommen, immer mehr Seiten mit Bürger-Artikeln zu füllen – weil es billiger ist.“ Paul-Josef Raue († 2019), damals Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, sagte dem Magazin gar: „Wenn solche Blätter einen Markt finden, dann müssen sich die traditionellen Zeitungsmacher fragen, ob sie etwas falsch gemacht haben.“
Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet die Funke Mediengruppe (damals noch WAZ Mediengruppe), für die Raue arbeitete, brüstete sich schon wenig später damit, mit dem Lokalkompass das „größte Anzeigenblatt-Portal Deutschlands” zu betreiben. Auch dieses Portal basiert auf dem Mitmach-Konzept von Peiq.
Wer aber haftet, wenn beim Graswurzeljournalismus etwas schiefgeht? Um diese zentrale Frage geht es bei dem seit einigen Monaten andauernden Rechtsstreit zwischen einem Bürgermeisterkandidaten aus Nordrhein-Westfalen und der Funke Mediengruppe. Der Fall hat uns diese Woche bei Medieninsider beschäftigt. Das Urteil in erster Instanz hat bereits gezeigt: Das bislang für Verlage so lukrative Geschäft mit dem Content der User könnte gehörig ins Wanken geraten. Und auch „Bürgerreporter” sollten auf den Mitmach-Seiten lieber ganz genau ins Kleingedruckte schauen, bevor sie lostippen.
Cui bono, Mr. Springer?
Wer profitiert, wenn Schlagzeilen polarisieren? Die publizistische Macht von Axel Springer ist unbestritten: Mit BILD, WELT, Business Insider und Politico Europe erreicht das Unternehmen täglich Millionen. Es braucht eine vielfältige Medienlandschaft. Organisationen wie VOCER fördern kritischen Umgang mit Medienmacht. Denn wer Deutungshoheit hat, trägt Verantwortung. Cui bono? Wer profitiert? Es liegt an uns, genau hinzusehen.
![](https://media.beehiiv.com/cdn-cgi/image/fit=scale-down,format=auto,onerror=redirect,quality=80/uploads/asset/file/3ef72db7-fda0-4475-a0d8-039d86b4b219/header-personalien.png?t=1736202383)
![](https://media.beehiiv.com/cdn-cgi/image/fit=scale-down,format=auto,onerror=redirect,quality=80/uploads/asset/file/9368755a-3354-43af-8b15-cd305337cabd/header-stellenanzeigen.png?t=1738672225)
Du möchtest dein Stellenangebot auch hier platzieren? Schreib an [email protected]
![](https://media.beehiiv.com/cdn-cgi/image/fit=scale-down,format=auto,onerror=redirect,quality=80/uploads/asset/file/e942316c-3597-46f7-94ae-8da8f7ad9000/header-events.png?t=1736202382)
Alle Veranstaltungen findest du auf medieninsider.com/events
![](https://media.beehiiv.com/cdn-cgi/image/fit=scale-down,format=auto,onerror=redirect,quality=80/uploads/asset/file/b0bace3d-8a3f-408c-809c-3474dac78d99/header-news.png?t=1736202382)
► Redaktionsleiterin Laura Neuhaus spricht im Zeit Online-Podcast über den Wandel der Sprache und das Selbstverständnis des Duden (mehr erfahren)
► Der Spiegel porträtiert den Journalisten Martin Bernklau, der jahrelang über Kriminalität berichtet und schließlich von der Microsoft-KI selbst zum Verbrecher gemacht wird (mehr erfahren)
► „Sense and response” anstatt „command and control“: Krautreporter-Vorstand Leon Fryser erklärt, wie die Redaktion zum Modell ohne Chefredakteur gekommen ist (mehr erfahren)
► Lag noch in der Schublade: Bernd Samland erklärt, wie der TV-Sender Vox seinen Namen erhielt (mehr erfahren)
► Frederik Obermaier kritisiert ein Jahr nach dem zwischenzeitlichen Verschwinden der ehemaligen SZ-Vize Alexandra Föderl-Schmid die Passauer Neue Presse für die damals identifizierende Berichterstattung (mehr erfahren)
► Paul Ronzheimer spricht im OMR-Podcast über die Entwicklung seiner Personenmarke, Kriegsreporter als Berufsbild und die mentale Belastung durch den Krieg (mehr erfahren)
► Boris Rosenkranz dokumentiert bei Übermedien, dass Journalisten Politikern wie Robert Habeck Geschenke machen und wie diese solche Präsente im Wahlkampf nutzen (mehr erfahren)
► Nur die wenigsten Dax- und MDax-Chefs kommen regelmäßig in den Medien vor. VW-Chef Blume führt das Ranking an (mehr erfahren)
► Jens Schröder zählt bei Meedia 48 Online-Medien, die aus der Reichweitenmessung aussteigen (mehr erfahren)
► Der MDR-Rundfunkrat lässt Jana Brandt als Programmdirektorin für TV und Radio durchfallen (mehr erfahren)
► Laut Business Insider bekam ein Ex-Fernsehdirektor bei der Deutschen Welle ein Ruhegeld von insgesamt einer Million Euro – nun will der Sender dagegen vorgehen (mehr erfahren)
► Über 50 Prozent der Befragten zeigen Anzeichen für Depression – eine Studie der Uni München dokumentiert die Arbeitsbelastung im Journalismus (mehr erfahren)
► Mehr Korrespondenten in Berlin: Chefredakteur und CEO Claus Strunz kündigt den Ausbau von Euronews in Deutschland an (mehr erfahren)
► „Im Nebel der Fake News soll die Demokratie zerschlagen werden“: Nina Rehfeld zeigt in der FAZ auf, wie Trump und Musk die US-Regierung und ihr Verhältnis zu den Medien umkrempeln (mehr erfahren)
► Inhalte von Regierungswebsites gelöscht, „Rotationsprogramm für Medien im Pentagon“ und mehr Plätze für Breitbart und Co: Auch Reporter ohne Grenzen schlägt wegen der Entwicklungen in den USA Alarm (mehr erfahren)
► „Viele unserer Probleme haben ihre Wurzeln in der technischen Beschleunigung von Bullshit.“ David Remnick, der langjährige Chefredakteur des New Yorker, spricht im SZ Magazin über den Wandel des Journalismus (mehr erfahren)
► Sam Altman tourt durch Deutschland und kündigt die Eröffnung eines Büros in München an (mehr erfahren)
Fact-based news without bias awaits. Make 1440 your choice today.
Overwhelmed by biased news? Cut through the clutter and get straight facts with your daily 1440 digest. From politics to sports, join millions who start their day informed.
Humor made by Chat-GPT
Erinnerst du dich noch an all die Onlinetests, durch die man sich früher klicken konnte und deren Ergebnisse fleißig bei Facebook geteilt wurden? Welcher Harry-Potter-Charakter bist du? Welche Aufgabe hättest du auf einem Piratenschiff? Oder: Als welches Tier werde ich wiedergeboren? Websites wie testedich.de oder nametests.com haben aus solchen lustigen bis stupiden Persönlichkeitstests und Quizzes einst ein Business gemacht. Bild überführt das Phänomen nun via KI in eine neue Ära und bewirbt den Spaß hin und wieder sogar auf ihrer Startseite.
Wer mitmacht, erfährt zunächst einmal, wie sich die auf Chat-GPT basierende Bild-KI eine mittelalterliche Sprache vorstellt:
„Willkommen, edle Reisende! Darf ich Euch zur Unterhaltung einen mittelalterlichen Namen ersinnen? Nennt mir Euren Vornamen, Euer letztes Mahl und Eure liebste Serie, und schon erschaffe ich einen klangvollen Namen für Euch!”
Diese Höflichkeit behält der Bot freundlicherweise bei, auch nach der Nennung des Vornamens. Von jetzt an entdeckt er auch die ein oder anderen eher neuzeitlichen Emojis.
Die „köstliche Buchstabensuppe”, teilt die KI mit, sei ein „wahrlich nahrhaftes Mahl, das die Geister der Gelehrsamkeit erweckt”. Schüssel-Emoji, Sternchen-Emoji.
Jetzt geht es um die Vorlieben beim Bewegtbild. Warum nicht ein Springer-Angebot nennen, um der KI zu schmeicheln?
Schöner hätte Axel Springers neue „Premium Gruppe” ihren Sender wohl selbst nicht beschreiben können. Um über das Thema Legendenbildung länger nachzudenken, bleibt allerdings keine Zeit. Die Auswertung steht an.
Der Name ist leider nicht allzu originell, die Beschreibung aber der sicherlich poetischste Text auf bild.de.
Wer es in Sachen Humor gern rauer und etwas derber mag, war bei der Titanic schon immer gut aufgehoben. Die Satire-Zeitschrift hat, wie sie schreibt, „das Hirn des Fastkanzlers digitalisiert”, um „24/7 Merz zu garantieren”. Herausgekommen ist die Funktion Deepfritz 2.0. Auf die Frage „Was wäre mein Name im Mittelalter gewesen” gibt es übrigens auch dort eine Antwort:
Folge Medieninsider jetzt auch bei WhatsApp
In unserem Kanal liefern wir dir den Insider-Feed ohne Algorithmus. Dort teilen wir mit dir die spannendsten Recherchen, aber auch Texte und Gedanken rund um die Publisher Economy. Nicht zu unterschätzen: Du kannst ihm folgen, andere können es aber nicht sehen.
Viele Grüße
Anna